Jawohl, auch AC/DC hatten ihre Krise. Damals Mitte der 90er-Jahre, als der Grunge den Markt noch beherrschte, brachten sie mit "Ballbreaker" ein ziemlich langweiliges Album heraus. Anschließend: fünf Jahre Schweigen. Dann "Stiff Upper Lip", kraftvoll und solide. Dann, acht Jahre Schweigen. Nun erwarten Millionen von Fans neugierig "Black Ice", das 15. Studioalbum der australischen Hard-Rock-Band. Und es ist wie immer: Neues fordert eigentlich niemand. Es soll eben AC/DC sein. Und dazu zwei, drei Lieder, die dann doch überraschen. Die gute Nachricht: Ganz genauso ist es. ~ Kai-Oliver Derks (teleschau) aufklappen »
30 Sekunden sind vergangen von Lied Nummer 1, der Singleauskopplung "Rock'n'Roll Train" und jeder weiß: Das ist AC/DC. Nichts klingt wie das. Und Brian Johnson hat noch nicht einen Ton gesungen. Er reißt einige der Songs diesmal in einer Nachhaltigkeit an sich, die durchaus überrascht. "Black Ice" ist vor allem auch sein Album, wie es unter anderem bei "Decibel" deutlich wird. Die meiste Zeit ein eiskalter Blues. Rock, der Größe beweist, mit einer Stimme vorgetragen, deren Variabilität gerne unterschätzt wird.
"Anything Goes" ist indes nicht klassisch AC/DC - ein bisschen viel Westcoast schimmert da durch, erfolgreich zerstört von einem der unzähligen Auftritte des Lead-Gitarristen Angus Young, der sich mit dieser anspruchsvollen Platte bei seinen Live-Auftritten im kommenden Frühjahr einiges vorgenommen hat. Und schließlich ist da der "Rock'n'Roll Dream", der wie eine Ballade - jawohl: eine Ballade - beginnt und diese forsche Idee auch noch einige Male wiederholt. Das sind sie, die drei Songs, mit denen AC/DC ein ganz klein bisschen Neuland erobern.
15 Lieder sind es insgesamt, und es scheint als sei es AC/DC tatsächlich gelungen, nach all den Jahren ein paar neue Songs zu erfinden, die das Zeug zum Klassiker haben. "Kein Thunderstruck", kein "Moneytalks" - nein, die Band geht weiter zurück in alte Zeiten, bedient sich zum Beispiel bei "Back in Black". "She Likes Rock'n'Roll", "Rockin' All The Way", "Big Jack" und auch der Mid-Tempo-Song "Smash N Grab" - sie alle haben das Zeug dazu, in einigen Jahren des nächtens aus müden Party-Rentnern noch einmal das Letzte herauszuholen.
Kraftvoll, vorwärts, ins Ohr gehend - es mag dennoch sein, dass es AC/DC auf ihrem neuen Album ein bisschen, ein kleines Bisschen ruhiger angehen lassen als früher. Getragene Momente gibt es einige, doch sie alle von sind von einer tiefen Kraft, einer Glaubwürdigkeit, wie sie eben in den Jahren all jene Bands nicht zu erzeugen vermochten, die sich AC/DC ganz offensichtlich zum Vorbild genommen haben.
Vor allem aber steht diese Platte für Vertrautheit, spielt geschickt mit den Nostalgiegefühlen ihrer Hörer und schert sich einen Dreck um den gerne geäußerten Intellektuellen-Wunsch, man müsse als Band doch die Fähigkeit zum Fortschritt, zur Weiterentwicklung beweisen, sonst sei man nichts wert. - Muss man nicht! Nur wer nicht gut genug war, muss sich verändern. AC/DC muss sich nichts mehr beweisen. Und doch haben sie es allen wieder einmal bewiesen.