Der Begriff "Kindfrau" fällt einem spontan ein, wenn man das Cover von Ane Bruns neuem Album "Changing Of The Seasons" sieht. Da steht eine zarte, blonde junge Frau im erwachsenen Kostümchen, die mit unschuldigem Blick in die Kamera guckt. Unterschätzen sollte man sie deshalb aber nicht. Immer noch eher ein Geheimtipp kann Ane Brun den Großen des Geschäfts durchaus etwas zeigen - nämlich, wie man unverfälschte, echte Musik macht, die zu Herzen geht. ~ Nina Hortig (teleschau) aufklappen »
Zugegeben, der Einstieg fällt nicht allzu leicht. Man muss diese Art Musik mögen, man muss offen sein und gewillt, weiter zuzuhören. Ansonsten könnte "The Treehouse Song" für manchen Geschmack doch zu viel Folklorecharme entfalten. Der Text wiederum verspricht es bereits: Da kommt noch mehr und nicht nur Folkballaden. In herrlich unverblümter, doch keineswegs platter Sprache erzählt Ane Brun vom Verliebt- und Verrücktsein. Bei Song zwei wird man bereits hellhörig. Mit "The Fall" ist es auch schon vorbei mit der einlullenden und verspielten Liebe, und es geht um Trennung. "Die Liebe ist ein Minenfeld", Beziehung ist wie ein schwieriges Puzzlespiel. Den Rahmen zu stecken, ist noch das Leichteste daran. Solche Weisheiten heben sich angenehm von dem gefühlsduseligen Einheitskitsch ab.
In dieser Tonart geht es weiter bis zum Ende. Was sich ändert, ist die Stimm- und Stimmungslage. Es ist nicht alles schwer. Die Verspieltheit, wie sie in Song eins vorkommt, kehrt immer wieder, um den Hörer rechtzeitig vor dem Ertrinken in Melancholie zu retten. Alles andere als 08/15-Standard sind die Melodien. Da erklingen Summchöre, Streicherflimmern und verspielte Glöckchen, alles zu Ane Bruns eigenwilliger tremoloreichen Stimme.
Ein wenig rau und ungeschliffen klingt die 32-Jährige, die erst mit 21 Jahren zur Gitarre griff, nach wie vor, auch auf dem inzwischen fünften Longplayer. Ane Bruns Musik fehlt das allzu Gefällige, das Rampensaupotenzial, das Songs anderer Singer/Songwriter zu aufdringlich werden lässt. Diese Kindfrau ist ziemlich erwachsen und weiß, was sie will. Unverfälscht klingt die Musik. Man kann wohl sagen, Ane Brun singt, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, ohne zu sehr darauf zu achten, was bei der Masse ankommt. Und dennoch gelingen ihr eingängige, sanfte kleine Oden an die Ruhe und Besinnlichkeit. So was braucht das Gemüt bei starkem Wind und strenger Kälte.