Das Prinzip Doppelalbum ist grundsätzlich ja eher abschreckend. Schließlich muss man hinter solchen Mammutprojekten stets Kunst, mindestens aber höchste Ansprüche und Ambitionen von Musikern vermuten. Aber nur selten tragen diese Visionen wirklich über die Strecke von 70, 80 Minuten und mehr. US-R&B-Superstar Beyoncé wagt mit "I Am ... Sasha Fierce" diesen - im Black-Music-Bereich eher seltenen Schritt - trotzdem. Mit überraschendem Ergebnis. ~ Stefan Weber (teleschau) aufklappen »
Denn wirklich schlimm redundant ist ihr Doppelalbum nicht. Schließlich enthält "I Am ... Sasha Fierce" in der normalen Version nur elf Songs, aber auch die Deluxe-Edition mit fünf zusätzlichen Bonustracks hat nur eine jederzeit erträgliche Spieldauer von knapp 63 Minuten. Und auch die konzeptionelle Aufteilung in zwei Teile macht einigermaßen Sinn. Das persönliche "I Am", das laut Beyoncé offenbart, "wer ich wirklich bin unter dem ganzen Make-up" zeigt tatsächlich die nachdenklichere, fast erwachsen zu nennende Seite der Künstlerin, während sie auf "Sasha Fierce" ihre "lebenslustige, sinnliche, direkte und glamouröse" Seite auslebt.
Wobei dieses Konzept natürlich zu direkten Vergleichen der beiden Albumhälften einlädt - und dort ist der eher maßkonfektionierte und gut geschminkte Synthie-R&B-Pop von "Sasha Fierce" klar im Hintertreffen. Ein absoluter Volltreffer ist die Single "Single Ladies (Put A Ring On It)", die wie eine 2008er Arcade-Computer-Version ihres größten Hits "Crazy In Love" klingt. Und im schluffigen Schieber "Ego" entschleunigt das Piano herrlich das sonst vorherrschende Tanzboden-Tempo.
Die wahren Glanzleistungen finden sich aber dann doch auf "I Am". "If I Were A Boy" verlässt sich ganz auf Beyoncés alles durchdringende Stimme, verzichtet auf jeglichen produktionstechnischen Schnickschnack. Ohne jenen kommt "Halo" zwar dann nicht aus, zudem erinnert ihr stakkatoartiges Wiederholen des Songtitels im Refrain stark an Rihannas "Umbrella", der tiefen Würde und hymnischen Qualität des Songs tut dies allerdings keinen Abbruch. Und die gedrosselt einbrechenden Gitarren, das leicht scheppernde Schlagwerk von "That's Why You're Beautiful" sind nicht allzu weit von Princes Klassiker "Purple Rain" entfernt.
Insgesamt also kein abschreckendes Doppelalbum, dennoch gilt: Auch Beyoncé wird dem - wohlgemerkt selbst auferlegten - künstlerischen Anspruch eines Doppelalbums, den eigenen Ambitionen, nicht ganz gerecht.