Wenn man sich Will Oldhams Karriere als lange Wanderung vorstellt, dann sind längst nicht alle Wege gegangen. Aber sein Bewegungsterrain ist inzwischen womöglich abgesteckt. Da, wo Oldham unter seinem jüngsten und beständigsten Moniker Bonnie "Prince" Billy heute auftaucht, war er 2004 schon einmal. Die süffigen Neuinterpretationen des eigenen Frühwerks auf "Greatest Palace Music" geißelte manch verbohrter Fan als Verrat am eigenen Oeuvre. Anderen gingen der Reichtum und die Blüte seiner oft spröde und zerschossen dargebotenen Lieder erst hier auf: im feierlichen Ambiente einer verschwenderischen Countryproduktion. "Beware" ist thematisch das düsterste Oldham-Album seit der Jahrzehntplatte "I See A Darkness". Doch musikalisch ist es die Fortsetzung seines selten so deutlich artikulierten Countryfaibles. ~ Jens Szameit (teleschau) aufklappen »
Hank Williams und Gram Parsons mag man als grobe Koordinaten ausrufen, innerhalb derer Oldham nahezu das gesamte Inventar der Americana aufruft. Natürlich wird der prophetische Schrat aus Kentucky nie ein reines Nashville-Album aufnehmen. Aus dem Country-Mekka borgt er sich die musikalischen Versatzstücke, um sie ins unverkennbar eigene Werk zu überführen. Die Liebe, die Zurückweisung, die Einsamkeit vor Gott und der Welt, die Angst, die Erlösung: Das sind Oldhams Themen, die er auf "Beware" einmal mehr durchpflügt wie einen endlosen Acker.
"Without Work, You Have Nothing" verrät eines der schönsten Stücke das Motiv des Mannes, der seit 1994 fast jedes Jahr ein Album veröffentlicht. Wie ein Sisyphos gibt Oldham den steten Mahner ("Beware Your Only Friend"), den Stoiker ("You Can't Hurt Me Now"), den Einsiedler ("I Don't Belong To Anyone") und den Todesverfallenen ("Death Final"), um am Ende doch wieder über die Existenzangst zu triumphieren ("Afraid Ain't Me"). Dazu ertönt die Fiddle, schmachtet die Pedal Steel, jubilieren Bläser, und die Gitarren sind zupackend, fast hemdsärmelig, wie man sie bei Oldham selten gehört hat.
Zweifellos ist "Beware" für sich genommen ein fulminantes Album von einiger Bedeutung und Schwere. Doch vielleicht lässt sich Will Oldhams Größe gar nicht mehr am Einzelnen bemessen, sondern nur noch an der wachsenden Gesamtheit seines Schaffens. Unter den wichtigen amerikanischen Songwritern seiner Generation ist der kleine bärtige Mann so etwas wie eine Erlösergestalt, weil er begriffen hat, dass der Weg, das Leid und der Mühen Lohn niemals zu Ende sind.