Auch wenn man der Versuchung kaum widerstehen kann, Brandi Carliles drittes Album "Give Up The Ghost" mit "Den Geist aufgeben" zu übersetzen, meint Brandi etwas ganz anderes damit: Eine Ära, eine Phase, einen Teil der Vergangenheit hinter sich lassen. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Wer nun eine umwälzende Stiländerung der Folkrockikone befürchtet, kann beruhigt werden: Brandi ist und bleibt ein countrygenerierter, in Seattle rockig geprägter Rohdiamant. Weiterhin mit ihrem Zwillingsteam Tim und Phil Hanseroth im Gespann spielt sie rockige Folksongs und folkige Rockballaden. Diesmal aber hat sie - nach zwei international beachteten und dezent gecharteten Alben - ein Krönchen aus verführerisch schillernden Promi-Brillanten auf dem hübschen Haupt, für das so mancher viel populärere Musiker seine Großmutter als Sexsklavin verkaufen würde!
Produzent Rick Rubin, Elton John, Teile der Indigo Girls und Benmont Tench von Tom Pettys Heartbrakers glitzern hier mit Carlile um die Wette! Hat sich das Namedropping gelohnt? Das Duo mit Elton John, "Caroline", bestimmt. Es wirkt überraschend bluegrassig und countrylastig, humorig, verspielt und nostalgisch, wie der Soundtrack zu einer lustigen Heuboden-Soap. Ein Hit, klar.
Andere Songs wie die hübsche Single "Dreams" oder "Dying Day" spiegeln den klassischen AoC-Rockgeschmack der Radiohörer in den 90-ern wider: treibend, mitreißend, aber bekannt. Hier fügte Brandi auch Streicherarrangements hinzu. Sie arbeitet mit ein bisschen Nostalgie, dann wieder haut sie uns den Eisenhammer auf die Ohren. Und an manchen Ecken taucht plötzlich diese nette Sixties-Akustik mit Peter, Paul & Mary-Rechtschaffenheit auf, zu der das Cello ihres weiteren Dauerbegleiters Josh Neuman eine Menge beiträgt. Klassische feminine Balladen à la "That Year" oder "If There Was No You", die schwer an Saving Janes "What I Didn't Say" erinnern, Stadionhymnen ("Pride And Joy"), nette akustische und ein bisschen fade Midtempo-Tracks wie "I Will" runden die Wandlung, die eigentlich gar keine ist, den aufgegebenen Geist, ab.
Ein Geist aber blieb mit Brandi im Studio: Der von Sheryl Crow, für die sie früher anheizte, und er winkt hier mit einem großen Zaunpfahl in die musikalischen Ideen hinein. Trotzdem sehr sehr ordentlich, wenn auch nicht überbordend sprudelnd fantasievoll oder inspiriert.