Seine Energie ist bewundernswert: 85 Jahre ist Charles Aznavour nun alt. Und damit wohl auch alt genug, um doch noch einmal ein Comeback zu starten. Sein Ziel: Einige seiner über tausend Chansons, die er im Laufe seiner Karriere schrieb, einmal auf eine ganz andere Art aufzunehmen. Mit dem Clayton Hamilton Jazz Orchestra kommt er drei Jahre nach seiner echten, wirklichen, endgültigen, hundertprozentigen Abschiedstournee 2006 und seinen nun wirklich allerletzten Konzerten 2008 nun eben doch wieder mit neuem Album "Charles Aznavour & The Clayton Hamilton Jazz Orchestra" in die Plattenläden. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Mit 22 Jahren wurde er von Edith Piaf entdeckt, wurde Aznavour mit "Comme ils disent" oder "She" zum Superstar. Jeder, der es sich leisten konnte, ließ sich von Aznavour Lieder auf den Leib schreiben. Diese waren voller unerfüllter Liebe, Pariser Erinnerungen, melancholischen Walzern und liebevoller Detailbeschreibungen. Da wurde geweint, gelacht, getrunken und gestorben, verletzt, verziehen und sich in die Arme gefallen. Klavier, sparsame und pointierte Orchestrierung und klare, hinreißende Arrangements waren seine Markenzeichen, eine geniale Dramatik in Phrasierung und Ritardandi seine Kunst. Seit den 60-ern sah man sein liebenswert zerknautschtes Gesicht, das stets ein wenig ratlos wirkt, zudem in Filmen wie "Schießen Sie auf den Pianisten" oder "Zehn kleine Negerlein". Eine einzigartige Karriere.
Warum Aznavour nach Hollywood fuhr, um in den Capitol Studios zu arbeiten, bleibt ein Rätsel. Vermutlich aber war es seine Rastlosigkeit und die Begegnung mit Clayton Hamilton und dessen wunderbarer Jazzbigband. Dieses Zusammentreffen gab den Ausschlag, alte Songs noch einmal neu aufzunehmen, diesmal im jazzigen Bigbandsound. Leider - muss man sagen - ist das Ergebnis ein nicht besonders überzeugender Hybrid, nicht mehr Chanson, noch nicht Jazz.
Einzelne Perlen wie das subtil rhythmisierte "A ma fille", der sexy arrangierte Dialog mit dem Saxofon in "Il faut savoir" und vor allem die Gastauftritte von Dianne Reeves und Rachelle Ferrell strafen diese harte Kritik natürlich sofort wieder Lügen. Und Fans werden diese Lieder im Croonerstil ebenso lieben wie als Chansons. Dennoch: Aznavours inzwischen recht mitgenommene Stimme will einfach nicht so recht zur brillanten Jazz-Orchestrierung passen. Oder um es vermittelnd zu sagen: Diese Kollaboration klingt zwar spannend, ist aber durchaus gewöhnungsbedürftig.