"White Ladder" war die Scheibe, die David Gray im Jahre 2000 berühmt gemacht hat. Zumindest in seiner Heimat Britannien - Nummer eins in Irland, Nummer eins in England. Ruhige Lieder wie "Babylon", "This Year's Love" oder "Sail Away" katapultierten den unauffälligen Singer/Songwriter hoch in die Charts und bescherten ihm eine Grammy-Nominierung. Nun kommt mit "Draw The Line" sein achtes Studioalbum heraus - mit neuer Band und (fast) neuem Sound. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Gleich der Einsteiger, die Single "Fugitive", demonstriert den neuen Sound, das neue Label, die frischeren Ideen, die powervoll arrangierten und instrumentierten Strukturen, die hinter diesem neuen Album stehen. Das Klavier und die Stromgitarre stehen stark im Vordergrund, ein Gospelchor verdickt die treibende Melodie.
"Hungrig" fühlte sich der früher sehr introvertierte Gray nach eigenem Bekunden, als er an die Produktion des Albums ging, "als hätte ich die Eingangstür aufgestoßen und stand endlich draußen". Zu hören auf "Stella The Artist", einem überraschend rockigen Song. Nicht alle seiner früheren Fans stehen auf den neuen Sound, in England wurde der Stilwechsel bereits kontrovers diskutiert. Dennoch: Das neue Soundgewand steht Gray gut. So erinnert "Jackdraw" mit seiner elegischen Melodie, die mit kraftvollem Piano, Streichern und E-Gitarre gepaart wird, stark an Van Morrison.
Zudem holte sich Gray die richtige Unterstützung: Bei "Kathleen" arbeitete der Brite mit der US-Songwriterin und Folksängerin Jolie Holland zusammen. Und die Geschichte zu "Full Steam", das laut Gray im "Righteous Brothers"-Style gehalten ist, sagt vieles über den Songwriter aus. Für den Song experimentierte er mit einer zweiten männlichen Stimme, es klang nach eigenen Angaben "wie zwei im Feld brüllende und sich streitende Stiere mit zu viel Testosteron". Formulieren kann er. Und auch feststellen, was den Songs gut tut. Denn um das Stiergebrülle zu vermeiden, fragte er kurzerhand Eurythmics-Legende Annie Lennox, ob sie bei "Full Steam" mitmacht. Das Resultat: ein hoffnungsvoller und hymnischer Song mit schönem Cello und auch anderen Streichern, einer Ohrwurmmelodie, mächtig Power (und - ja - Testosteron) und viel Pathos.
Aber auch ruhigere Lieder bietet "Draw The Line": "Nemesis" oder "Transformation" etwa. Der Titeltrack mit seinen gezupften Tönen und dem Folkappeal ist übrigens einer der stärksten Songs des Albums, aber auch viele andere kleine Perlen finden sich für Fans von handgemachter Musik ohne zu starken Americana-Appeal. Ob man den etwas rockiger gestalteten Ansatz mag, muss wohl jeder selbst entscheiden.