Dass junge Musiker heutzutage alles daran setzen, wie alte Haudegen zu klingen, verwundert niemanden mehr. "Retro" nennt man das. Wie punktgenau es manche Youngsters allerdings dann schaffen, die Musik ihrer Eltern nachzuspielen, das überrascht im Fall Derek Trucks dann doch. "Already Free", meint das Gitarrenwunder, sei er. Und erfolgreich ist er noch dazu. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Bereits seit er zwölf ist, arbeitet er als professioneller Musiker, 1994 entstand The Derek Trucks Band, inspiriert dazu hatte ihn Onkel Butch Trucks, der als Drummer bei den Allman Brothers in die Felle drischt. Bei denen der junge Mann nebenberuflich auch Slidegitarrist ist. Kurzfristig heuerte Derek bei der Eric Clapton-Band an, meist aber arbeitet er unermüdlich am eigenen Stil und an seiner Band.
Die neuesten Erfolge des 30-jährigen Slide-Gitarristen sind beachtlich: Einstieg dieses inzwischen siebten Longplayers (Live-Album mitgerechnet) auf Platz 19 der Billboard-Charts und die Nominierung als einer der "Top 100"-Gitarristen aller Zeiten für den Rolling Stone. Das Besondere an Trucks - im Vergleich zu den anderen Gitarren-Wunderknaben à la Kenny Wayne Shepherd, mit dem er gerne verglichen wird - ist sein einzigartiger Klang.
Zwar orientiert sich Trucks an berühmten Gitarristen wie Duane Allman, Warren Haynes oder Elmore James. Aber dadurch, dass er kein Plektron benützt und seine Gibson SG quasi nackt in den Fender Amp steckt, entsteht jener weiche, nostalgische Klang, für den Trucks jetzt schon berühmt ist. Von seinen Anfängen, als er Jazzstandards coverte, über Experimente mit Soul und Worldmusic, bis heute, da er im erdigen Blues gelandet ist, steckte er stets seine eigenen Erfahrungen und Ideen in die Sparten hinein, an denen er sich orientiert.
So erinnert er zeitweise an Carlos Santana, nutzt funky Rhythmen und setzt dank des genialen Sängers Mike Mattison, der gekonnt zwischen Soul, Rock und Blues balanciert, schwarz-schillernde Pünktchen auf seinen kraftstrotzenden Bluesrock mit Southern-Appeal. Auch der Rest der multikulturellen Band - Kofi Burbridge an Hammond/ Keyboards plus Flöte und Gesang, Todd Smallie am Bass, Yonrico Scott an Schlagzeug, Perkussion und Mikro und Count M'Butu an den Perkussionsinstrumenten - gibt alles. Sie oszillieren zwischen Rock, Bluegrass, Soul und Blues einerseits - vor allem während der ersten Hälfte des Albums - bis zur ruhigeren Gangart, Balladen und Gospelchören auf der anderen Seite, und lassen klanglich und musikalisch die 70er-Jahre wieder auferstehen: Die alten Blind Faith, Buddy Guy, Cream, Muddy Waters, Allman Brothers und deren Seitenprojekt Gov't Mule hört man da durch. Auf "Something To Make You Happy" erschallt gar ein Hauch Hendrix. Nur mit einer höheren Oktanzahl, heißer, jünger, kreativer, frischer, wilder, souliger und hungriger - zumindest während der ersten, wilderen Hälfte und dem Song "I Know". Was für ein weiser Entschluss, diesen heiseren afroamerikanischen Sänger an die Front zu stellen (und Trucks' Frau Susan Tedeschi auf "Back Where I Started"). Geradezu ein musikalischer Hexenkessel.