Die gute Nachricht (und eine schlechte kommt nicht): Das hier ist das beste Hosen-Album seit mindestens zwölf Jahren. Hosen ernst. Hosen laut. Hosen pur. Und vor allem: Hosen erwachsen. Vier Jahre sind vergangen, seit die Band ihre letzte CD vorlegte. Nun also "In aller Stille", ein Album, das auch "in aller Kürze" heißen könnte. Rund 42 Minuten, dann ist sie vorbei, die schönste Dreiviertelstunde, die Fans seit Langem mit ihren Helden aus Düsseldorf verbrachten. Mit dem 13 Songs umfassenden Werk bedient die Band die Alt-Anhänger aufs Beste. Und nicht nur die ... ~ Kai-Oliver Derks (teleschau) aufklappen »
Nein, auch Frontmann Campino ist durchaus selbstkritisch. Alben wie "Zurück zum Glück" (2004) zählt er nicht zu den besten der Toten Hosen. Stimmt. Und so stellt er sich diesmal stolz triumphierend vor eine Platte, die frei ist von allem Firlefanz. Keine Blödelei, keine weichgespülten, textlich allzu simplen Anfängerlieder. "In aller Stille" ist ein außergewöhnlich reifes Album, das musikalisch voll in der Tradition der Band steht, textlich aber den Zustand einer Horde Männer zeigt, die allesamt ihre Jugend deutlich hinter sich haben. Campino ist 46.
Wenn es denn ein hörbares Zugeständnis an die Belange des Marktes gibt, dann ist es die Singleauskopplung "Strom". Ein veritabler Partyhit mit simplen Wortspielen ("Am Anfang war der Lärm"), in dem man nicht uneitel die eigene Rückkehr feiert. "Zurück wie neugeboren" sei man. Aber stimmt ja.
Wie aber sind sie zurück? Nun, das neue Hosen-Album klingt insgesamt zufriedener, nachdenklicher, zumindest was seine Texte betrifft. Das getragen-melodische "Wir bleiben stumm" etwa thematisiert die gemeinsamen Wünsche und Träume der Jugend, die später in tausend individuelle Richtungen geht. "Alles was war" ist ein Dankeslied an Weggefährten. Und "Ertrinken", einer der besten Songs des Albums, setzt sich mit dem ewig Zweiflerischen auseinander, das auch mit 40, mit 50 einfach nicht weggehen will. Ein bisschen pathetisch, ein bisschen sehr textlastig, aber eben würdig.
Und: Die alten neuen Hosen können Liebeslieder. "Tauschen gegen dich", eine leise Ballade, vorgetragen von einem spürbar nachdenklichen Campino, ist einer der kompromisslosesten Lovesongs aller Zeiten. Eines von zwei stillen Stücken: das zweite ist ein Duo mit der österreichischen Schauspielerin Birgit Minichmayr, mit der Campino zuletzt gemeinsam für Brechts "Dreigroschenoper" in Berlin auf der Bühne stand. Der Rest ist derb. Wie gewohnt mehr Rock als Punk. Dreckig genug, um Spaß zu machen. Berechenbar genug, um es alsbald zu mögen. Ausgelassen genug, um sich über die Menge tragen zu lassen.
Aber, wütend, so wie einst, sind sie nicht mehr. Rebellisch ohnehin nicht, denn das waren die Hosen sowieso nur selten. Im reinsten Sinne politisch ist auf diesem Album nichts, sieht man von einem Song gegen den Überwachungsstaat ("Die letzte Schlacht") ab. "In aller Stille" setzt auf den Wert der Erkenntnisse, die eine Gruppe Alt-Punks so sammelte während ihrer 26-jährigen Karriere, die zwischen Open-Air-Schlammschlacht-Ringern, Bankangestellten und einem Außenminister eine ganze Menge bediente - und noch mehr außen vor ließ. "Wie lange dauert das Glück?" fragt Campino in Song Nummer 7. "42 Minuten, mindestens" - so könnte die Antwort lauten.