Auch fast 30 Jahre nach dem Ende der Beatles gehören sie immer noch zu den heiligsten Orten der (britischen) Popmusik: die Abbey Road Studios in London. Und natürlich weist auch Guy Garvey zu Beginn des Konzerts darauf hin, dass die Fab Four hier bereits aufnahmen. Die kurzen Jubelschreie, die im Publikum bei der Erwähnung der Beatles aufbranden, kommentiert der Elbow-Sänger grinsend mit der Bemerkung, dass man wohl schon von denen gehört habe. Aber auch sich selbst hat das Quintett aus Manchester inzwischen reichlich Gehör und Anerkennung verschafft. Zu Recht, wie der Mitschnitt des gemeinsamen Auftritts mit dem BBC Concert Orchestra, der nun als "The Seldom Seen Kid - Live At Abbey Road" auf DVD plus CD erscheint, eindrucksvoll zeigt. ~ Stefan Weber (teleschau) aufklappen »
Dabei war die Ehre, ihr letztes Album im Januar 2009 in großer Orchesterbesetzung und mit Kammerchor an historischem Ort einzuspielen, rückblickend betrachtet fast nur ein Zwischenschritt auf der Karriereleiter. Jahrelang als Geheimtipp gelobt und geliebt, schafften es die Indie-Rocker mit "The Seldom Seen Kid" - zumindest in ihrer Heimat - in die Liga der Topbands. Das Album erhielt 2008 zunächst den renommierten "Mercury Music Prize", knapp einen Monat nach der Auszeichnung des Konzerts wurden Elbow als "beste britische Band" bei den "Brit Awards" ausgezeichnet. Vorläufiger Höhepunkt: ein Auftritt im Londoner Wembley-Stadion im März 2009.
Dabei sind Elbow, rein musikalisch gesehen, sicherlich niemals ausgezogen, um Fußballstadien zu rocken. Und auch in der hier in Ton und Bild festgehaltenen großen Besetzung tritt der epische Aspekt ihrer Musik zwar deutlicher zutage, aufgeblasen und unnötig bombastisch wirkt dennoch keiner der Songs. Der Opener "Starlings" bleibt ein wundervoll intimes Experiment zwischen sanfter Elektronik und tiefer Emotionalität. "Grounds For Divorce" ist ein zupackender Blues-Rocker und "Weather To Fly" ein zerbrechlich-komplexer Popsong, der höchstens nach mehrmaligem Hören als Ohrwurm taugt. Wobei Guy Garvey und seine Band auch diese Kunst beherrschen. Schon in der ursprünglichen Albumversion eine alles umarmende Hymne, spielen Elbow bei "One Day Like This" die Möglichkeiten ihrer musikalischen Mitstreiter in ganzer orchestraler Größe und zu voller emotionaler Schönheit aus.
Spätestens mit diesem Song sollten auch die früher immer etwas ungelenk wirkenden Vergleiche mit Coldplay oder Radiohead endgültig unnötig sein. Und sympathischer als jene beiden Bands sind Elbow ohnehin, wie der Audiokommentar zeigt, der als Bonus-Feature die DVD abrundet. Dass er zu Beginn des Konzertes Elbow auf keinen Fall mit den Beatles vergleichen wollte, sagt Guy Garvey dann doch lieber noch einmal. Vorsichtshalber.