Im Jahr 2009 eine Platte aufzunehmen, die in etwa wie die Oasis-Totalkatastrophe "Be Here Now" endet und beginnt - also diffus überpathetisch -, ist schon gewagt. Die alten Kernkompetenzen, die irgendwo zwischen Working-Class-Pop in The-Jam-Manier und aktuellerem Röhrenhosen-Rock lagen, plötzlich links liegen zu lassen, ebenfalls. The Enemy haben aus ihrer Ratlosigkeit offenbar eine Tugend gemacht. Neuorientierung. "Music For The People", also Volksmusik. Dass die so glatt produziert wurde und gleichzeitig so oft am Stadion andockt, wie wenige Neuerscheinungen des Jahres, ist vermutlich systemimmanent. ~ Jochen Overbeck (teleschau) aufklappen »
Das optisch eher schmächtige Trio aus Coventry geht früh in die Vollen: Der "Elephant Song" eröffnet das zweite Album mit Feedbackwänden, flirrenden Harps, domestiziertem Lärm und einer ordentlichen Schippe Dramaturgie. Die Gitarren werden von Streichern flankiert wie eine Staatskarosse von Polizeimotorrädern. Dabei kommt einem alles eigentümlich bekannt vor. Nicht nur Oasis werden zitiert, sondern auch Kula Shaker - die tauchen später, bei "Silver Spoon", noch einmal auf -, The Verve und längst vergessene Britrock-Bands wie Reef oder The Music. "No Time For Fears" funktioniert ähnlich und vor allem deshalb überhaupt nicht, weil textlich nur Beliebigkeiten angesprochen werden: "Gonna get out of the city" - hatte man eben schon zu oft.
Aber irgendwie verzeiht man's Tom Clarke und seinen Mannen, vielleicht, weil die Zitatsammlung so unfassbar dreist ist (man höre die "London Calling"-Gitarren in "Don't Break The Red Tape"), dass sie schon wieder Spaß macht, vielleicht auch, weil das Händchen für die catchy Hook einfach da ist, was sich vor allem an den Balladen zeigt: "Sing When You're In Love" ist eine hübsch getragene Stadionhymne mit klug gesetzten Synthies, "Last Goodbye" eine an Richard Ashcroft erinnernde Nabelschau. An frühere Songs wie "It's Not OK" erinnern The Enemy indes selten - und das ist ein riesengroßer Fehler. Denn "Nation Of Checkout Girls" zeigt eindringlich, dass die Band immer dann am besten ist, wenn die Songs nur drei Minuten dauern, in klassischer Trio-Besetzung daherkommen und sich selbst nicht breiter machen, als sie sind. Bei allem Verständnis für eine Sinnkrise nach dem Nummer-eins-Album, vor allem aber bei allem Verständnis für musikalische Weiterentwicklung: ein bisschen mehr davon und etwas weniger dicke Hose wäre nett gewesen.