Keine 30 Sekunden, und Queen erscheinen. "Star", die Eröffnungsnummer von "Saudades De Rock", fährt mit seinem A-capella-Beginn und einem vom Rockolymp stammenden Groove die volle Breitseite. Macht Sinn, dieser Einstieg. Auf dass alle merken: Extreme sind mehr als ein Teil der bunten Hardrockgesellschaft, die sich in den Neunzigern still und leise in ihre Höhle zurückzog. ~ Alexander Diehl (teleschau) aufklappen »
Es ist das erste Album seit 13 Jahren. Schon richtig also, die nächste Runde in der Schlacht um die wertvollste Wiedervereinigung wird eingeläutet. Wobei Extreme vor einer bösartigen Hürde stehen: Wer damals nicht mit zu engen Hosen rumlief und für seine Frisur morgens eine zusätzliche halbe Stunde einplante, der schreibt sie als Einhitwunder ab: "More Than Words", das war es. Mit etwas Glück lässt sich im Durchschnittsradio noch "Hole Hearted" erwischen. Oder "Get The Funk Out". Schon besser, das Beispiel. Funk, Rock, Queen, Led Zeppelin - wird der damals schicke Glanzlack von den Songs entfernt, erscheint etwas, das sich durchaus mit Zeitlosigkeit beschreiben lässt.
Genau deshalb ist "Saudades De Rock" eine wunderbare Platte geworden. Es sind Extreme, eindeutig. Aber sie denken nicht daran, eine Gedenkveranstaltung zu Ehren der seligen Tage abzuliefern. Nuno Bettencourt unterstreicht seinen Ruf als hervorragender Saitenkünstler, in seinem Spiel zeigt sich der bescheidene Gentleman ebenso wie der nervöse Forscher. Gary Cherone - fast hätten wir's vergessen: Der sang auch mal bei Van Halen - trumpft mit seinen Meisterleistungen im bluesig-dramatischen "Last Hour" sowie der Pianoballade "Peace (Saudade)". Pat Badger am Bass sowie Neuzugang Kevin Figueiredo am Schlagzeug dazugesetzt, und ab: nicht ab in die Untiefen der Hardrockballaden. Ab durch die Rockgeschichte.
"Learn To Love" kracht mit dem berühmten Markenzeichen-Funk von Extreme in die Türe. "Run" gastiert bei David Bowie, "Flower Man" könnte auch einer jungen wilden Band vom Schlage Die Happy eingefallen sein. "Ghost" schließlich beginnt gar als Coldplay-kompatible Klaviernummer. Sie schaut nach den Sternen, flüchtet vor der Melancholie in die Selbstsicherheit des Refrains, bevor sie sich kurzzeitig wieder auf Queen-Pfaden bewegt. Erstaunlich für ein Comeback: Kompositionen von dieser Größe werden selbst denjenigen verblüffen, der mehr als nur "More Than Words" kennt.