Imelda Marcos, so schrieben es diverse US-Medien, hatte nicht nur eine Discokugel in ihrer Villa hängen, sondern gleich ein ganzes Tanzlokal im Keller. Sie besuchte aber auch gerne die New Yorker Diskothek Studio 54. Und: Als 1966 die Beatles während eines Abstechers auf die Philippinen eine Essenseinladung der Diktatorengattin ablehnten, ließ sie sie vor ihrer Abreise von Sicherheitskräften verprügeln. Man kann also davon ausgehen, dass die heute 80-Jährige immer ein gehöriges Interesse an Popmusik hatte. Umgekehrt wurde in der Vergangenheit freilich kein Schuh daraus. Popmusik war der legendär korrupt-verschwenderischen Marcos - heute betreibt sie ein Schuhmuseum, das vornehmlich aus ihrer eigenen Sammlung besteht, mit 2.700 Paaren angeblich die größte der Welt - eher egal. David Byrne und Fatboy Slim versuchen sich jetzt an einer Aufarbeitung ihres Lebens im Albumformat. Eine schräge Idee, die verblüffend gut funktioniert - vielleicht weil sie so präzise und nicht mit dem erwarteten überironischen Ansatz durchgeführt wurde. ~ Jochen Overbeck (teleschau) aufklappen »
Natürlich ist "Here Lies Love" auf eine gewisse Art und Weise Überspitzung und Übertreibung, spielt mit der Methodik des Musicals und, auch wenn mit der ehemaligen Hausdienerin Estrella Cumpas ein zweiter Charakter stattfindet, bis zu einem gewissen Grad auch mit einer "Evita"-haften Heldenverehrung, die in Imelda Marcos' Heimat nicht nur auf Gegenliebe stoßen wird. Doch sowohl Byrne als auch Fatboy Slim wissen, dass gerade deshalb ein humoriger Ansatz nicht ausreichen würde, um die Platte funktionieren zu lassen. Gleichzeitig wissen sie auch, dass sie beide alle Kompetenzen der Welt besitzen, um jene Funktionalität auf musikalischem Wege zu erreichen. Byrne konstruiert weit ausholende Melodiebögen, die quasi auf einer Schiene laufen, die in Fatboy Slims mehr oder weniger zeitgenössischen Beats ein sicheres Fundament findet. Ab und zu lassen die beiden den Mix Richtung Afrobeat oder Disco laufen, manchmal auch Richtung schwelgerischer Disney-Soundtrack.
So entwirft das Duo eine solide Basis für allerhand Gastvokalist(inn)en: Da findet sich Florence Welch von den zuletzt hochgelobten Florence and the Machine ebenso wie Tori Amos, deren Beitrag auf dem irgendwo zwischen schwelgerischem Pop und Calypso liegenden "You'll Be Taken Care Of" vielleicht am schönsten ist. Steve Earle, schließlich eher Folk-Traditionalist, bekommt mit "A Perfect Hand" einen der organischeren Songs des Albums zugewiesen. Cyndi Lauper brilliert auf dem schroffen "Eleven Days", Roisin Murphy liefert mit "Don't You Agree" eine der besten Arbeiten ihrer jüngeren Laufbahn ab. Dazu kommen Beiträge von Santigold, Natalie Merchant, Martha Wainwright und vielen, vielen anderen. Dieser Wechsel im Vokalen ist es, der das doch recht lange Doppel-Album trägt. Gleichzeitig muss man dieses Revuehafte mit seinen Brüchen natürlich mögen. Ob Imelda Marcos selber damit einverstanden ist, ist noch nicht bekannt, es ist allerdings davon auszugehen.