Das Schöne an Briten ist ja, dass man sie kaum versteht. Zumindest nicht diejenigen, die Teil der so oft gefeierten "Working Class" sind. Warum die Securities der Londoner "Earls Court Arena" vor einem der beiden Konzerte im Sommer 2008 die Identität George Michaels so sehr bezweifelten, dass sie seinen Wagen nicht passieren ließen, wird zumindest dem deutschen Zuschauer für immer verborgen bleiben. Es sei denn, er hat einen Dolmetscher neben sich auf dem Sofa, einen, der in irgendeinem Londoner Hinterhof aufgewachsen ist. Aber hey: Die bisschen Räudigkeit am Anfang schadet "Live In London" nicht. Immerhin zeigt sie echtes Leben und damit einen hübschen Kontrast zur ansonsten abgefeierten Kunstwelt Pop. ~ Jochen Overbeck (teleschau) aufklappen »
Eigentlich erstaunlich: "Live In London" ist tatsächlich die erste Konzert-DVD in der Laufbahn des 46-Jährigen. Das mag damit zu tun haben, dass der Brite mit zypriotischen Wurzeln gerne etwas kürzer tritt, was Konzerte angeht, was vielleicht auch die arg stürmische Rezeption durch die Heimatpresse erklärt: "George hat bewiesen, dass er einer der begnadetsten Sänger ist, die England je hervorgebracht hat", schrieb die Sun, als "unangefochtenen Herrscher" bezeichnete ihn die Mail on Sunday.
In der Tat ist das hier aufgezeichnete Konzert eine ziemliche Ansage. Gute zwei Dutzend Songs lang zelebriert George Michael die Schnittmenge zwischen allgemeingültigen Popmelodien, 80er-Referenzen und Tanzmusik. Beeindruckend ist dabei vor allem der geschickte Umgang mit moderner Unterhaltungstechnik: So wird auf die Bühne so eine Art Muster projiziert, das George Michael quasi mitten im Bild stehen lässt, was den Live-Auftritt in eine durchaus beeindruckende Videoclip-Ästhetik transformiert. Gleichzeitig sorgt der klassische Steg aber dafür, dass der Abstand ins Publikum kurz gehalten wird.
Auch im weiteren Verlauf wird aus Show und Künstler oft eine Einheit, was eigentlich erfrischend uneitel ist: So kommt "Shoot The Dog" mit den erwartbaren Video-Schnipseln im Comic-Style, "Faith" als fast klerikal dargebotener Bongo-Pop und das abschließende "Freedom" nicht nur mit jeder Menge bunter Bilder, sondern auch ganz hervorragenden Backgroundsängern, die die Gospel-Schlagseite, die der Song ohnehin besitzt, noch einmal verstärken. Was etwas störend ist: Die Zugaben (fantastisch: "Precious Box") wurden auf eine zweite Disc gepackt, sodass doch ein gewisser Bruch entsteht. Die Tourdoku "To Know Him A Mile Off!", die die Extra-Scheibe wohl rechtfertigen soll, wäre schließlich verzichtbar gewesen.