Mit dem Riff von "Wild Thing" steigt Gianna Nannini in den ersten Song "Attimo" ihres neuen Studioalbums ein - wie passend. Reibeisenkratzig wie stets überrascht Gianna auf "Giannadream - Solo I Sogni Sono Veri" durch ebenso melodische wie rockige Songs und treibt ihre Entwicklung zur melodischen und musikalisch hochinteressanten Breitwanddiva weiter. Wie bereits auf dem letzten Album beeindruckt Gianna dabei mit überraschenden kompositorischen Ideen von HipHop über Elektronik bis Klassik. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Bereits der Longplayer "Pia come la canto io" (ebenfalls von Wil Malone produziert) arbeitete mit großem Orchester und zwei Gitarristen. Und auch 2009 vereint Gianna wieder klassizistischen Sound mit Rock. Spannend ist beim neuen Album dazu die Tatsache, dass sich Gianna diesmal öfter esoterisch gibt, zumindest in den Texten. Von nebeldunstwabernden Massagesalon-Sound hat sie die Fans glücklicherweise verschont. Auch auf "Giannadream - Solo I Sogni Sono Veri" versucht Gianna nun also, viele verschiedene Elemente in die einzelnen Songs zu zaubern.
Beispielsweise "Maledetto Ciao": Afrikanische Chöre, die Gianna, so, wie sie gesampelt wurden, in den Song einschmiegt, obwohl sie scheinbar gar nicht passen, bilden den Kontrapunkt zum Song. Dazu packt sie melodramatische Rockgitarren und eine leichte, positive italienische Stimmung. Auch auf "Bambolina" spielen Nannini/Malone wie die Kinder, indem sie in den vordergründig glatten Rocksong Hawaiigitarren einbauen und die Stimme hochpitchen wie nach einem Helium-Ballon-Versuch. Hier reißt die überraschende Bridge den Song aus der Italorock-Gleichförmigkeit.
Trotz des rockigen Aufbaus der Lieder wirken viele Songs aufgrund der unzähligen Melodie-Ideen regelrecht durchkomponiert, wie symphonische Dichtungen mit Rockelementen. Zuerst eine Introduktion, dann ein überraschend anderer Songpart, noch ein Teil, noch einer, eine neue Bridge, ein Refrain, und noch eine neue Tonart. Und so fort.
Wiedererkennbar wirken die Hooks erst nach mehrmaligem Hören, sodass es Giannas schnellere Rocksongs zumindest in der deutschen Radiolandschaft schwer haben werden. Auch die Breitwandsounds von Songs wie "Scossa Magica" oder "Le Ragazze", die ebenfalls großes Kino samt Orchester mit E-Gitarren paaren, werden viele, die Gianna noch als 80er-Rockröhre kennen - ein Ruf, der sich hartnäckig hält - überraschen. Die Traumschnulze "Sogno Per Vivere" hingegen und das eingängige "Sogno" bergen extremes Hitpotenzial.
Das beste Beispiel für Giannas Ideenreichtum aber ist das erst dezent düstere, später aufgewühlte "Siamo Nella Merda" (zu deutsch: "Die Kacke ist am Dampfen") - mit rasenden HipHop-Elementen, die sich mit dem extrem melodischen Part abwechseln. Mit "Giannadream - Solo I Sogni Sono Veri" dürfte sich die toskanische Konditorentochter, die sich seit ihren "Bello E Impossibile"-Zeiten bereits mehrfach gehäutet hat, endgültig als große Komponistin etablieren.