Spätestens, wenn Glasvegas am Ende von "Flowers & Football Tops" recht unvermittelt in den Louisiana State Song wechseln, wird klar, um was es hier geht. Aber eigentlich geht's schneller. Ein, zwei Minuten, und man versteht Glasvegas. Man versteht, wo sie herkommen, wo sie hinwollen. Man weiß, welche Platten sie gehört haben, man weiß, wer sie mögen wird. Natürlich kann man das jetzt Überraschungsarmut nennen, eher ist's aber so: Dieses seltene Gefühl, dass in den nächsten 45 Minuten ganz genau das Richtige passieren wird, ist vielleicht sogar Liebe auf den ersten Blick. ~ Jochen Overbeck (teleschau) aufklappen »
Das letzte Album, das so zwingend, so unmittelbar erschien, war Arcade Fires "Neon Bible", zu dem man tatsächlich einige Parallelen ausmachen kann: Wie die Kanadier haben auch Glasvegas überhaupt keine Angst vor dem üppig angelegten Song, vor Stadionappeal, der am ehesten an U2 zu "Sunday, Bloody Sunday"-Zeiten oder den mittleren Bruce Springsteen, vielleicht auch an die Manic Street Preachers denken lässt. Nachzuhören ist dies etwa in "It's My Own Cheating Heart That Makes Me Cry" mit seinen Oh-Oh-Ohs. Aber auch in den restlichen Songs ist jederzeit Größe erkennbar, was vor allem an Caroline McKay und ihrem extrem simplifiziert nach vorne treibendem Schlagzeugspiel liegen dürfte.
Doch es steckt mehr drinnen. Einmal eine ganz reizvolle musikalische Mischung: Glasvegas setzen da an, wo die exzessiv zitierten The Jesus & Mary Chain aufhörten, kombinieren extreme Gitarrenfeedbacks mit melodramatischem Frühsechziger-Soul und den Produktionsexzessen eines Phil Spector. Eine hübsche Unterlage für die Stimme von James Allan, der mit seinem schon sehr prägnanten schottischen Akzent immer ein wenig verwundert wirkt, tatsächlich Teil dieser ganzen Sache zu sein. Wichtiger: Songs wie das herrlich hymnisch schleppende "S.A.D. Light", die bereits hinreichend bekannte Hit-Single "Daddy's Gone" oder "Geraldine" mit seinen Slowdive-Querverweisen müssen erst einmal geschrieben werden.
Glasvegas wissen, wie das Laut-Leise-Spiel funktioniert, wann die Songs zu kippen und wann wieder aufzustehen haben, besitzt aber genug Ecken und Kanten, um auch jenseits aller Musikalitäten zu bestehen. Der Working-Class-Appeal der Band wäre da zu nennen, aber auch die Tatsache, dass Glasvegas unlängst ein Weihnachtsalbum aufnahmen. Entdeckt wurde der Vierer übrigens von Alan McGee, der seinerzeit mit Oasis die wichtigste britische Popband der 90er-Jahre installierte. Das ist schon einmal ein guter Hinweis auf das, was mit Glasvegas in den nächsten Jahren passieren wird.