Irgendwie wirken Gomez seit jeher wie aus der Zeit gefallen. Mit seinem 1998er-Debüt "Bring It On" war das Quintett aus der nordenglischen Küstenstadt Southport schon zu spät für den großen Hype um Blur, Oasis und Pulp, wurde aber trotzdem gerne als Britpop-Band bezeichnet. Und wirkten mit ihrer Liebe für Elemente aus althergebrachtem Blues-Rock, Country und Folk seit jeher ziemlich unzeitgemäß. Auf jeden Fall aber niemals wie ein Teil von "Cool Britannia". Über zehn Jahre später gereicht ihnen das aber zum Vorteil: Jenseits aller musikalischen Trends veröffentlichen Gomez mit "A New Tide" bereits ihr sechstes Album, das einmal mehr ihre Qualitäten deutlich macht. ~ Stefan Weber (teleschau) aufklappen »
Zugegeben: Die überraschende Vielfalt, die fast schon an Stillosigkeit grenzte, und die experimentelle Frische, die "Bring It On" eine eingeschworene Fangemeinde, höchstes Kritikerlob und nicht zuletzt den renommierten britischen "Mercury Prize" einbrachte, erreichten Gomez nie mehr. Das gilt auch für "A New Tide".
Was geblieben ist, sind mit Ian Ball, Tom Gray und Ben Ottewell drei gleichberechtigte Sänger, die bei Bedarf wunderbar und klangvoll harmonieren. Und eine spielfreudige Indie-Rock-Band, die dieses Mal auch durch die Wahl des Produzenten - Brian Deck arbeitete bereits für Modest Mouse, The Shins und Iron & Wine - zeigt, dass ihre musikalische Heimat eher jenseits des Atlantiks liegt. Und so brilliert etwa "Little Pieces" mit einem hymnischen Bluesrock-Refrain, ist "Natural Reaction" feiner Banjo-Folkrock und "If I Ask You Nicely" ein fingerschnippender Sing-A-Long mit Kontrabass und Orgel. Und bei Bedarf können Gomez auch einen grimmigen, Gitarrenriff-geladenen und trotzdem groovenden Ohrwurm wie "Airstream Driver" aus dem Ärmel schütteln. Eine weitere Konstante: Ben Ottewells leicht rauchiges, irgendwo zwischen Eddie Vedder und Zucchero liegendes Organ, das bei ruhigeren Stücken wie "Little Pieces" oder "Very Strange" Gänsehaut erzeugend wirken kann.
Klar, diese Verlässlichkeit, das Ignorieren von musikalischen Trends und die Liebe zu traditionellen musikalischen Spielformen mag manchmal vielleicht eine Spur altbacken wirken. Dafür gelingt Gomez mit "A New Tide" auch im sechsten Anlauf wieder ein tolles Album. Und das können nicht viele britische Bands von sich behaupten.