Und dann war Beth Dito, die Frontfrau von The Gossip, neulich auf dem Titel einer großen deutschen Musikzeitschrift. Die Reaktionen der Leserschaft im Internet waren verblüffend harsch, so manche sagten: Der einzige Grund für die Popularität dieser Band sei die Korpulenz ihrer Frontfrau. Natürlich, die Optik von Menschen spielt in jede Wertung eines Kulturproduktes hinein. Und es ist durchaus legitim, dass jemand davon profitiert, der einmal anders aussieht als die typische Pop-Schnittmenge aus Yvonne Catterfeld und Sarah Connor oder der kontemporäre Indie-Zeitgeist einer La Roux oder einer Little Boots und damit nicht nur in Musikmagazinen, sondern auch in Boulevard-Tageszeitungen landet. Aber Optik hin oder her: Vor allem haben The Gossip erhöhte Aufmerksamkeit wegen ihres Albums "Music For Men" verdient. ~ Jochen Overbeck (teleschau) aufklappen »
Ihr Album "Standing In The Way Of Control" schaffte es vor gut zwei Jahren in die Ohren der Clubgänger - der energiereiche Mix aus Indierock, Electro sowie Soul auf der einen und diesem stimmgewaltigen Organ auf der anderen Seite konnte schon auch so einiges. Auf Albumlänge hielten The Gossip aber nicht so wirklich durch, gerade die Musik geriet zu einer indifferenten Hintergrundangelegenheit. The Gossip waren Beth Ditto. Eine Stimme. Nicht genug.
Dass jetzt Rick Rubin an den Reglern saß, merkt man "Music For Men" an. Der Typ, der Johnny Cash und Neil Diamond von allem Ziertand befreite, setzt bei "Music For Men" nicht wirklich auf Reduktion, wohl aber auf eine gewisse Umverteilung, die den Songs gut tut, weil sie deren Substanz klarer erkennbar werden lässt als zuletzt.
Eine klug inszenierte Schnittmenge aus Funk, zitatreichem Diskotum mit Spätsiebziger-Schlagseite und kontemporärem Indie prägt die Songs. The Gossip präsentieren sich in Stücken wie "For Keeps" oder "Love And Let Love" als souveräne Arbeiter, die aber auch zu Spitzen fähig sind. Dringend hervorzuheben sind "Four Letter Word", ganz nebenher der wohl emotionalste Song der Platte, und die dann doch auf die niederen Instinkte der Dancefloorcrowd zielende Vorabsingle "Heavy Cross". Das erinnert natürlich an oben erwähnten Monsterhit "Standing In The Way Of Control", haushaltet aber besser mit seinen Kräften und nutzt sich genau deshalb kaum ab. Und genau darin liegt auch die Klasse von "Music For Men" - denn das Cover von heute ist morgen ja schon wieder Altpapier.