Wer die beiden Begriffe "Australien" und "Singer / Songwriter" in diesem ersten Satz liest, der wird gründlich in die Irre geführt. Denn das zweite Album des belgischen Wahlaustraliers Gotye "Like Drawing Blood" schafft es, wie Beck zu klingen, der sich mit The Cure, Peter Gabriel und Tom Waits ein Stelldichein bei den Avalanches gibt und Mark Ronson dazu antreten lässt. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Experimentierfreudiger Rock, elektronische Popmusik, Akusmatik, Indie-Ambitionen, Rundumsounds von Synthie über Ambient bis Funk, treibende Beats und seine schöne Stimme zeichnen das Album des als Wouter "Wally" DeBacker in Belgien geborenen, 28-jährigen Universalgenies aus Melbourne aus. "Gotye" spricht sich im übrigen wie "Gaultier", das wiederum im Französischen ja soviel wie Walter bzw. Wouter bedeutet. Soviel zum Ein-Mann-Projektnamen.
Ähnlich verwirrend wie das Namensspiel sind auch Gotyes Kompositionen: "Heart's A Mess" verbindet die verzweifelte Melancholie von The Cure mit TripHop, Tom Waits' instrumentalen Trommelideen und Stings leidenschaftlichen Refrain-Ausbrüchen. "The Only Way" groovt in Outkasts "Hey Ya"-Rhythmus mit Breakbeat-Akkuratesse, sendet über den Groove aber eine elegische Melodie und lässt eine orientalische Mizmar darüber quäken. 80er-inspirierte Songs wie "Coming Back" erleben durch die vielschichtige, fast schon orchestrale Rhythmusarbeit und die Streicher eine Frischzellenkur. "Thanks For Your Time" hingegen zeigt sich als Elektro-Jam mit Frickelsounds, Synthie-Einsatz und treibendem Zweierbeat. "Learnalilgivinanlovin" hingegen klingt wie frisch aus den 60-ern gebeamt, Phil Spector grüßt hier aus der Gruft des Wahnsinns. Man erkennt nach wenigen Songs: Hier ist irgendwie das musikalische Pendant des alles besser wissenden, alles könnenden Grundschul-Klassenprimus am Werk.
Gotye ist Fan von Laurie Anderson, Peter Gabriel, Ween, Kate Bush, Cornelius und Feist - wer das weiß, sieht seine wirre Musik vielleicht klarer. Sich mit sich selbst auf einen Stil einigen konnte er wohl nicht und bleibt deshalb etwas profillos und inhomogen. Trotzdem: ein unorthodoxes, facettenreiches Album eines multipel begabten Mannes.