Für jemanden, der seit den frühen 60er-Jahren beständig im großen Rockbusiness mitgemischt hat, ist Graham Nash merkwürdig unscheinbar geblieben. Als Bestandteil der transatlantischen Supergroup Crosby, Stills, Nash & Young ist der Name des englischen Folk- und Countryleisetreters am stärksten haften geblieben. Dass Nash mit den reißend erfolgreichen Hollies zuvor bereits an vorderster Front der British Invasion stand, ist da schon ein weniger geläufiger Fakt. Gerade einmal fünf ausgezeichnete bis mediokre Soloalben gesellen sich zum gesamten Oeuvre des unauffälligen Graham Nash hinzu, das vom Reissue-Label Rhino nun erstmals und ausführlich gewürdigt wird. 64 Stücke des Sängers und Gitarristen aus allen Schaffensperioden verteilen sich auf drei edel verpackte CDs der Box "Reflections". ~ Jens Szameit (teleschau) aufklappen »
"On A Carousel" und "Carrie Ann", zwei exzellente Stellvertreter für den schwungvollen Merseybeat der Hollies, eröffnen die Werkschau. "King Of Midas In Reverse", das wohl zu weiten Teilen auf Nashs Kappe geht, war ein zarter Vorstoß in Richtung des amerikanischen Psychedelic Rock. Mehr als seine Bandkollegen entwickelte Nash eine Faszination für die Musikszene in Übersee. In Kalifornien machte er die Bekanntschaft von David Crosby und Stephen Stills. Wenig später auch die des Kanadiers Neil Young. Der Rest der Geschichte ist hinreichend bekannt.
Mit den berückend schönen "Our House" und "Teach Your Children" sind seine beiden Beiträge zum CSNY-Meilenstein "Déjà Vu" von 1970 hier natürlich vertreten und als Gipfel Nash'schen Songwritings leicht erkennbar. "Man In The Mirror", "I Used To Be A King" und "Simple Man" vom sehr guten Soloalbum "Songs For Beginners" halten das Niveau. Dabei weist allerdings schon "Simple Man" in eine programmatische Richtung. Ein großer Lyriker war Nash gewiss nie. Gerade wo das Songfundament nicht ganz so tragend ist, wurde die hippieske Gutmenschelei und sentimentale Blümchenlyrik des leidlichen Poeten doch immer wieder augenfällig.
Wie für so viele Kollegen seines Genres waren die 80-er für Graham Nash eher kein Ruhmesblatt. Aus Folk Rock wurde Soft Rock, was auch beim verkorksten CSNY-Comeback "American Dream" von 1988 durchschlug. Glanzlicht der 90-er: das wirklich schöne Duett mit Carole King "Two Hearts". So lässt sich Nostalgie aushalten.