Das haben besonders primitive Songs so an sich: Sie entpuppen sich gegen den Willen des Hörers als schlängelnde, schlingende Ohrwürmer! So auch Ida Corrs Dancefloor-Killer "U Make Me Wanna" (2004), "Let Me Think About It" und "Ride My Tempo", die genau genommen aus circa zwei Tönen bestehen. Mit dem Album "One" schießt die dänische Senkrechtstarterin zum Entsetzen sämtlicher Halter von ungewollten Ohrwürmern einen ganzen Stall potenzieller Hits hinterher. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Ausgerechnet aus Aarhus in Dänemark stammt die rassige, mit Kaffeeaugen, Honighaut, Pfefferstimme und Blaxploitation-Bildsprache fies um sich schießende Sirene, die mit "Ride My Tempo" die Nummer eins der German Dancefloor Charts im Sturm eroberte. Ein total dämlicher Song? Stimmt. Noch dümmer aber ist, dass man sofort mitwippen muss. Aber natürlich hat die Musikertochter auch andere Seiten, sonst hätte sie noch nicht einmal in der musikalischen Sahelzone Dänemark einen Plattenvertrag bekommen - und erst recht keinen internationalen Deal mit Ministry Of Sound.
"Late Night Bimbo" glänzt mit nostalgischen Twenties-Anklängen, wie sie große R&B-Diven bereits vor zehn Jahren genutzt haben. Auf "Lonely Girl" versucht sie sich im Genre "Beyoncé denkt mal über was nach" und tönt etwas leiser, "Make Them Beg" und "Man For Me" wummern brachial als Mix von Soul, Blues und Westküsten-R&B. "Mad" hingegen zitiert die jazzy infizierten 60er- und 70er-Souldiven à la James-Bond-Soundtrack. "Country Girl" spielt lustig mit Klängen aus Western mit Banjo, "U" entpuppt sich als interessante Ballade mit schrägen Untertönen.
Kreativ-verspielt wird's auf "Mr. JB": Hier zeigt La Corr ihr Potenzial zwischen Zappa, Soul, Funk und Wahnsinn. Last but not least - "Hurry Up And Wait" verbindet Soul und HipHop. Alles schon mal da gewesen, damals hieß es Destiny's Child und auch Salt 'n' Pepa. Immerhin schreibt Ida Corr die meisten Songs selbst, auch wenn viele davon gecovert klingen, beispielsweise "I'm Your Lady". Gab's das nicht schon mal? Angeblich nicht.
Ida Corr ist am publikumswirksamsten, wenn sie brachial im Elektro-Funk-Clash-Disco-Style bleibt und mit 90er-Blubber- und Furz-Tönen arbeitet. Aber dahinter steckt mehr, Ida Corrs extreme Bandbreite zwischen Sixties-Supremes-Sounds, Tom-Waits-Vorlieben, Zappa-Kenntnissen und Elektro bleiben nur oft im Verborgenen. Primitivity kills the cat, aber Frau Corr weiß, wie man niedere Instinkte weckt. Und eigentlich sind Ohrwürmer doch gar nicht so unangenehme Tierchen ...