Das Erste, was auf ihrer Homepage auffällt, ist ein Aufschrei gegen die - nach kurzem Aufleuchten im Herbst 2007 gleich wieder aus dem medialen Gedächtnis verschwundenen - Schweinereien der Militärjunta in Birma. Vor einem Jahr hatten die Mönche im südostasiatischen Land mehr Demokratie eingefordert und wurden brutal niedergeknüppelt. Jane Birkin hat es nicht vergessen und ein Lied geschrieben, betitelt nach der meist inhaftierten oder unter Hausarrest stehenden Oppositionsführerin: "Aung San Suu Kyi" ist jedenfalls eine große Überraschung auf ihrem neuen Album "Enfants d'Hiver". ~ Andreas Fischer (teleschau) aufklappen »
Der Song ist wütend, die Birkin wehrt sich mit vor Schmerz bebender Stimme gegen die Ungerechtigkeit, gegen die Unmenschlichkeit. Das politische Statement bricht unerwartet herein, in einem ansonsten sehr unpolitischen, sehr intimen Album. Mit "Enfants d'Hiver" setzt Jane Birkin ihre Suche nach sich selbst, nach der Endlosigkeit der Liebe, nach Erfüllung und Sinn fort. In dem Fall passt "Aung San Suu Kyi" dann doch irgendwie - weil es eben auch ein sehr persönliches Lied ist. Klar, es ist irgendwo auch platter Agit-Pop, weder musikalisch noch lyrisch eine Offenbarung. Aber einem Song wie diesem muss manchmal einfach etwas Unausgereiftheit zugestanden werden.
Schließlich ist Jane Birkin eines der bekanntesten Kinder der 60er-Jahre, einer wilden Zeit, in der alles wichtig war, was nicht der Norm entsprach. Ausprobieren, Konventionen brechen - das zählte damals, das zählt in gewisser Weise noch immer. Und so ist die 62-jährige Britin, die seit 40 Jahren in Frankreich lebt, ein sehr lebendiger Teil der Nouvelle-Chanson-Szene, obwohl sie doch mancher zu den alten Eisen zählen würde. Ist sie nicht, ganz und gar nicht. Diese Frau ist das Leben, weil sie gelebt hat, weil sie sehr intensiv gelebt hat. Davon erzählt sie auf "Enfants d'Hiver" - "Winterkinder" (die Birkin wurde im Dezember geboren) -, ihrem ersten Album, für das sie alle Texte selber geschrieben hat.
Auch wenn es bisweilen etwas linkisch ist, was Jane Birkin singt, sind ihre Chansons intensive, ehrliche, rührende Erinnerungen an ein emotionales Leben. In "Prends Cette Main" bittet sie darum, ihre Erfahrungen weiter geben zu dürfen, aus "Maison Etoilée" spricht die Sehnsucht der Kindheitserinnerungen. Es sind viele starke Gefühle, die sich mit einem gehörigen Schuss Pathos Bahn brechen - im Stillen wohlgemerkt. Und das ist mutig, weil Jane Birkin auf "Enfants d'Hiver" den kompletten Seelenstrip nicht scheut. Das muss man sich erst mal trauen.