Janelle Monáe revolutioniert die Rolle der Frauen im Popgeschäft, sagen die einen. Die anderen halten dagegen, dass Monáe ja wohl viel eher die Rollenbilder der Schwarzen im Popgeschäft durcheinanderwirbele. Gänzlich unpolitische Geister interessieren sich lieber für ihre Musik - doch auch auf dem Gebiet ist immer wieder vom Umsturz die Rede. Die ganze Aufregung brach sich, wohlgemerkt, schon vor Erscheinen von Monáes Debütalbum "The Archandroid" Bahn. Aber ist sie auch berechtigt? Jetzt, mit der Veröffentlichung der Platte, lässt sich sagen: ja. ~ Sabine Metzger (teleschau) aufklappen »
Schon der Schritt, zum Debüt ein Konzeptalbum zu veröffentlichen, ist ziemlich mutig. Und dann auch noch eines, das auf alten Science-Fiction-Büchern von Philip K. Dick und Isaac Asimov ebenso basiert wie auf Fritz Langs Stummfilm-Klassiker "Metropolis". Die ganze verquickte Storyline auszubreiten würde zu viel Raum fordern, deshalb hier die Kurzfassung: Im Metropolis des Jahres 2719 lebt der Android Cindi Mayweather. Verbotenerweise verliebt Cindi sich in einen Menschen, Anthony Greendown. Da Beziehungen zwischen Menschen und Androiden verboten sind, muss Cindi fliehen - das Album begleitet sie dabei.
Dieses "Emotion Picture", wie Monáe ihre Platte nennt, sprengt dabei Genregrenzen. Ganz so, wie Cindi Mayweather durch ihre Liebe die Grenzen zwischen den Spezies Mensch und Maschine sprengt - aber gleichzeitig viel weniger dramatisch. Stattdessen verflicht Monáe leichtfüßig und fast schon beiläufig Funk mit HipHop, Klassik, Folk, Soul und Pop.
Besonders bemerkenswert dabei: Ihre Stimme macht das alles anstandslos mit. Ob sie sich in der psychedelischen Ballade "Sir Greendown" schwelgerischen Tönen hingibt, in "Oh, Maker" vom Folk zum Soul und wieder zurück wandert oder für "Come Alive" den Punk auspackt - nie wirkt sie bemüht. Die Wandelbarkeit ihrer Stimme ist Monáes größtes Kapital. Vielleicht.
Denn schließlich ist da noch ihr Songwriting-Talent. Monáe hat 17 der 18 Songs auf "The Archandroid" größtenteils selbst geschrieben. Dabei hatte sie nicht nur ein gutes Ohr für die Arrangements und die unterschiedlichen Färbungen der Musik, sondern sie wusste auch ganz genau, wann ein Lied sanft in das nächste übergehen sollte und wann eine schrille 180-Grad-Kehre erlaubt ist. Ebenso gut ihr Gespür dafür, wann ein Song durch einen Partner gewinnt (etwa die James-Brown-eske Single "Tightrope" mit Big Boi oder das bonbonbunte "Make The Bus" mit Of Montreal), und wann sie alleine stehen sollte.
Alles in allem ist "The Archandroid" mit seiner Gratwanderung zwischen den Genres, mit den mannigfaltigen Anspielungen auf Science-Fiction-Klassiker und einem sehr eigenen Konzept tatsächlich eine Revolution. Die kann den Hörer im wahrsten Sinne des Wortes überwältigen. Gleichzeitig aber sorgt diese Mehrdimensionalität dafür, dass das Album auch beim x-ten Anhören nie langweilig wird. In den verwinkelten Straßen von Metropolis gibt es noch eine Menge zu entdecken.