Zwölf Jahre (29. Mai 1997) ist es mittlerweile her, dass Jeff Buckley im Alter von 30 Jahren im Wolf River, einem Nebenarm des Mississippi, ertrank. Der Sohn der Folk-Legende Tim Buckley hinterließ nicht viel - eine EP ("Live At Sin-é"), ein Album ("Grace"), ein paar Songs. Zur Inspirationsquelle für Kollegen wie Ryan Adams oder Ben Harper und zur Kultfigur wurde er trotzdem - nicht zuletzt dank der Vermarktungsmaschinerie, die auch nach über einem Jahrzehnt nicht an Fahrt verloren hat. So erschien "Grace" bereits vor fünf Jahren als "Deluxe Edition" - mit einer tatsächlich sehr schönen Ausgabe feierte man das zehnjährige Jubiläum des Albums. Mit "Grace Around The World" wird zum 15. Geburtstag nachgelegt, und zwar mit ordentlich Schmackes: In einer - überschaubar attraktiv gestalteten - Sammlerbox finden sich zwei DVDs und eine CD, die das Schaffen des Musikers quasi live nachbauen. ~ Jochen Overbeck (teleschau) aufklappen »
"Live Re-Creation" nennt die Plattenfirma "Grace Around The World". Bedeutet: Das Album "Grace" wurde aus diversen Live-Auftritten, von denen die meisten bisher noch nie auf DVD veröffentlicht wurden, erneut zusammengesetzt. Das ist natürlich nicht halb so schlüssig, wie es zunächst klingt, denn der ständige Wechsel der Atmosphären zerstört jede Kontinuität.
So entstand die - sehr kraftvolle - Aufnahme des Openers in den heiligen Hallen der britischen BBC und ist ein klassicher TV-Auftritt - hell ausgeleuchtet, routiniert, aber eben auch in der technisierten Umgebung eines Fernsehstudios stattfindend. Das folgende, durch ein kurzes Interview abgetrennte "So Real" und das anschließende "Mojo Pin" dagegen wurden live im Frankfurter Postbahnhof aufgenommen und zeigen Buckey und seine Band näher am Publikum. Die Großtat "Hallelujah" schnitt MTV seinerzeit in London mit, "Eternal Life" und "Last Goodbye" stammen aus der legendären "Most Wanted"-Show des Musiksenders.
Am spannendsten ist wohl die in einem kleinen Club in New Orleans aufgenommene Version von "Dream Brother" - weil sie technisch zwar kaum punktet, aber doch ein Gefühl für die Intimität, die Buckley letztendlich ausmachte, vermittelt. Im Bonus-Teil der DVD finden sich einige bereits bekannte Live-Tracks aus Shows wie "120 Minutes", aber auch das Promo-Video zu "Hallelujah", das übrigens zu Buckley Lebenszeiten keinesfalls ein Hit war. Das DVD-Programm gibt's zu großen Teilen zusätzlich als Audio-CD. Für all diejenigen, die oben erwähnte "Originalaufnahmen" "Grace" und "Live At Sin-é" besitzen, allenfalls etwas fürs Archiv.
"Love, anger, depression, joy and dreams. And Zeppelin." Das sagt Buckley am Beginn der zweiten DVD, als ihn ein Journalist nach seinen musikalischen Einflüssen fragt. Ein pathetischer Einstieg in eine gut einstündige Doku, die in erster Linie Retrospektive ist und vor allem über Originaltöne funktioniert. Neben ihm selbst kommen Journalisten zu Wort, dazu ehemalige Bandkollegen, aber auch Kollegen wie Chris Cornell. Am schönsten: Die Mitschnitte aus und Erinnerungen an Buckleys Auftritte im New Yorker Club Sin-é - einem Ort, an dem sich der in Kalifornien aufgewachsene Musiker sofort wohlfühlte.
Dabei wird auch seine Entwicklung und Arbeitsweise noch einmal geschildert und gewürdigt. Dass es am Ende, wenn Buckleys letzten Tage geschildert werden, wahnsinnig traurig wird, liegt wohl in der Natur der Sache. Dass er nicht, wie so oft geschildert, "mysteriös" war, sondern eher ein leichtsinniger Badeunfall, macht's nicht weniger traurig.