Manchmal langt wenig, etwa in dem hübsch betitelten "St. Gallen". Da ist es ein Klavier, das die zuckersüße Melodie spielt, an die sich nach und nach eine Gitarre und feierliche Blasinstrumente schmiegen. Oft aber ist der Ausbruch die Dominante, die verklausulierte Kombination aus treibendem Schlagwerk und hallender Gitarre. Jeniferever sind neben Ef und Logh die wohl beste Band in diesem eigenartigen Genre, das sich Postrock nennt. Post, weil gängige Songstrukturen aufgehoben werden, weil die Melodie meistens eher ein Loop ist, dessen mantrische Wiederholung und damit verbundene Steigerung stilprägend sind. Rock, weil's ganz schön laut werden kann. ~ Jochen Overbeck (teleschau) aufklappen »
Andere wiederum sagen zu solchen Bands Dreampop. Könnte man auch schön erklären, würde aber zu weit führen. Fakt ist: Jeniferever zeigen auf ihrem zweiten vollen Album "Spring Tides", dass sie das Spannungsfeld zwischen immenser Klangkulisse und verhuschter Entrücktheit immer besser beherrschen und dabei keine Angst vor der großen Melodie haben.
"Nangijala" mag da als bestes Beispiel dienen. Neun Minuten dauert der Song, selbst für die Struktur ablehnenden Schweden eine ganz schöne Ansage. Kristofer Jönson beginnt ihn als getragene Hymne, singt über vergangene Sommer und die Winter, die immer bleiben, tief in uns. Weit hinten liegt ein mathematisch konstruierter Klangteppich, der langsam zur Oberfläche des Stücks wird und seine Kraft aus einzelnen Tönen bezieht, die sich im Wald der Hallgeräte immer weiter wiederholen. Die Gitarre wird lauter, das Becken oft geschlagen. Und Jönson immer verzweifelter, sodass irgendwann, nach vier, fünf Minuten eher amerikanische Punkbands als Vergleichsparameter dienen könnten. Früher hätte man das Emo genannt, und das trifft's auch: Denn Gefühle werden hier gleich sattelschlepperweise transportiert.
Im Vergleich zum Vorgänger "Choose A Bright Moment" haben Jeniferever noch einmal ordentlich zugelegt. Die Produktion schafft es, knackig zu sein, ohne die Weite der einzelnen Stücke in Frage zu stellen. Das Instrumentarium wurde an den Rändern ergänzt, erlaubt in "Green Meadow Island" sogar eine Mundharmonika oder zumindest etwas, das so ähnlich klingt wie eine. Gleichzeitig scheinen die Stücke direkter, logischer, zwingender. Da dürfte noch so einiges gehen.