Noch letztes Jahr, zwei Monate vor seinem Tod, feierte Joe Zawinul mit seinem Syndicate am 7. Juli 2007 auf der Bühne seinen 75. Geburtstag und das 20-jährige Bestehen seiner Band. Kurz darauf, am 5. August, dem vorletzten Konzert seiner Tournee, kam Wayne Shorter zu ihm auf die Bühne. Unvergessene Momente, die nun auf dem posthum erscheinenden Album "75th" zu finden sind. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Rezensionen zu einer letzten Tournee zu verfassen ist ähnlich, wie eine Grabrede schreiben. Traurig. Der Pianist und Keyboarder Joe Zawinul litt an einer besonders heimtückischen Form von Hauptkrebs, die Diagnose bekam er im Mai 2007. Trotzdem plante er mit eherner Disziplin seine Jubiläumstournee. Mitten in diese fiel dann auch noch der Tod seiner Ehefrau Maxine. Doch auch das hielt Zawinul nicht davon ab, seine letzte Tournee zu spielen. Sie sollte sein Vermächtnis werden, seine "Last Lectures".
Der aus einem musikalisch interessierten und multikulturellen Wiener Arbeiterhaushalt stammende Josef Zawinul bekam trotz der schlichten Herkunft seiner Eltern stets Rückhalt für seine musikalischen Ambitionen. Inspiriert von den heimatlichen Akkordeon-Klängen, der Musik Tschechiens und Sloweniens, ungarischer Sinti-Lieder und den Opernbesuchen seiner Mutter kam er schon früh ans Konservatorium in Wien. Als er mit 12 das erste Mal mit Jazz in Berührung kam, wurde er infiziert, mit 17 wandte er sich ganz dem Jazz zu. Gründung der Austrian All Stars 1954, 1959 zum Studium an der Berklee in die USA, von wo er lange nicht mehr zurückkehren sollte. Kurz darauf bekam er die Stelle als Pianist bei Ella Fitzgerald, Stationen im Maynard-Ferguson-Orchestra und bei Dinah Washington folgten. Er bewegte sich vom Hardbop zum Souljazz und schrieb den Monsterhit "Mercy, Mercy, Mercy". Über die Zusammenarbeit mit Miles Davis 1969/70 kam er zu Electric Jazz und zu Fusion, mit Wayne Shorter gründete er 1970 Weather Report. In den 90ern wechselte er zum World Jazz, sein Sound wurde elektrischer, aber auch multikultureller.
Auch dieses Album aus der letzten Tournee ist geprägt von diesem Sound, in dem er Songs interpretiert, die bis in seine Weather-Report-Zeit in den 70ern zurückgehen. Mit Aziz Sahmaoui (Marokko) und der Zap-Mama-Sängerin Sabine Kabongo am Mikro, Paco Sery (Elfenbeinküste) an den Drums, Jorge Bezzera (Brasilien) an der Perkussion, Linley Marthe (Mauritius) am Bass und Alegre Gorrea (Brasilien) an der Gitarre liefert er ein energiegeladenes Feuerwerk aus Improvisationen und vertrackten rhythmischen Strukturen, das am Schluss in "In A Silent Way" mit Wayne Shorter mündet. Eine Hinterlassenschaft der ganz besonderen Art.