808s & Heartbreak

Als West die Vorabsingle "Love Lockdown" bei den MTV Video Music Awards Anfang September erstmals präsentierte, war die Verwunderung über diesen monotonen Song und die spärliche, fast verletzlich wirkende Perfomance noch groß. Schließlich hatte sich der HipHopper mit zahlreichen kontroversen Auftritten einen Ruf als jederzeit selbstbewusster Lautsprecher erworben. Man erinnere sich nur an seine Aussage "George W. Bush doesn't like black people", zu der sich der HipHopper angesichts des organisatorischen Debakels nach Hurricane Katrina hinreißen ließ. Die größte Überraschung des Albumvorboten: Kanye West rappte nicht, sondern sang, seine Stimme durch Autotune verfremdet. Also genau der Effekt, der auch Chers "Believe" vor Jahren zu einem gruseligen Super-Hit machte.

Danach schossen die Erwartungen, Spekulationen und Befürchtungen ziemlich ins Kraut. Tatsache aber ist, dass West auf "808s & Heartbreak" ziemlich geschickt zwischen Sprechgesang und sprechendem Gesang hin und her pendelt und die Stimmeffekte auf ein jederzeit erträgliches Maß zurückfährt. Wie das Album überhaupt eine fast meisterhafte Lektion in Sachen Reduktion und Repetition ist. Schon im Opener, dem gospelhaften "Say You Will", lässt West den Männerchor unheilsschwanger im Hintergrund singen, legt darüber einen einfachen Drumloop und klagt dazu geradezu herzerweichend. Der Grundton bleibt auch danach melancholisch bis düster, die Songs eher monoton. Und an vielen Stellen ist es den geladenen Gästen wie Young Jeezy, Lil Wayne und Kid Cudi zu verdanken, dass West sich nicht in vertontem Selbstmitleid verliert.

Nicht nur deswegen ist "808s & Heartbreak" eigentlich halb so wild wie vielleicht erwartet. Natürlich ist das Album fast schon ein Gegenentwurf zum verspielten Umgang mit Soul- und Pop-Samples, zu den großen Gesten und Tönen von Wests ausschweifendem Meisterwerk "Late Registration". Andererseits aber auch eine konsequente Weiterentwicklung. Vom Daft-Punk-Sample seines 2007er-Hits "Stronger" ist es schließlich nur ein kurzer Weg zu den an französischen House-Pop erinnernden Beats, die West nun dem Drumsynthesizer entlockt. Insofern darf er den Roland TR-808 gerne behalten und weiterbenutzen. Mehr Herzschmerz wünscht man ihm jedoch nicht.