"Sound Awake" stützt zwei Thesen. Die erste: Trotz globaler Vernetzung kann es immer noch eine Weile dauern, bis ein heißer Tipp vom anderen Ende der Welt seinen Weg zu uns findet. Die zweite: Trotz globaler Abstumpfungstendenz pflegt die Industrie ihre Schäfchen im Bereich des eigenwillig-sperrigen Kulturgutes. Karnivool ist eines von ihnen. ~ Alexander Diehl (teleschau) aufklappen »
The Mars Volta und Thrice, System Of A Down und Dredg, die Zahl der Bands, die bewusst der Leichtigkeit die Stirn bieten und dennoch jede Menge Menschen ansprechen, wächst. Karnivool stammen aus Australien, ihr Debüt "Themata" erschien vor fünf Jahren. Die weltweite Aufmerksamkeit, die sie seitdem verdienen hätten, bekommen sie jetzt erst.
"We're slaves in this medicated cage". Die Zeile ist der ersten Single "Set Fire To The Hive" entnommen. Während sie ertönt, fliegt einem ein Schwarm Hummeln um den Kopf. Der Song bildet mit seiner ungestümen Art die Ausnahme. Ansonsten gehen Karnivool auf "Sound Awake" einfühlsamer vor. Alles baut sich auf. Fällt in sich zusammen. Wird flankiert, hofiert, bedroht. Von effektgeschüttelten Einwürfen aus der Schwerelosigkeit. Von brummelndem Metal und zerbrechlichem Alternative. Von einer Bass- und Drum-Intelligenz, die ihresgleichen sucht. Tool und Porcupine Tree sind die Autoritäten. Keine ergrauten Zauberer, sondern höchst präsente Großmeister wachen über die Verteilung von Anspruch und Zugänglichkeit.
"Deadman" und "Change", die beiden letzten Beiträge von "Sound Awake", bringen es gemeinsam auf knapp 23 Minuten. Mit ihnen sollte ein Hörtest beginnen. Wer sich angefreundet hat, darf anschließend als Belohnung zu "New Day" springen. Sänger Ian Kenny tritt nach vorne. "How did they find me? How did they know?" Die weit ausgebreiteten Melodien drängen ihn, ziehen sich zurück und bieten seiner Stimme ein gelungenes Podest.
Da darf man getrost eine dritte These aufstellen: Karnivool gehören zu den kräftigsten Trägern einer Sänfte, in welcher ein junger Progressive Rock sitzt, der ohne schlechtes Gewissen bejubelt werden darf.