Meinte man es böse, könnte man das musikalische Erbe Afrikas als adoptivbedürftig bezeichnen. Sofern es darum ging, den Mainstreamgeschmack der Industrienationen zu treffen, griffen in der Vergangenheit meist weiße Musiker wie David Byrne, Brian Eno und Paul Simon mit Crossover-Projekten gleichsam von außen auf das Liedgut des Schwarzen Kontinents zu. Keziah Jones, Sohn eines nigerianischen Stammesoberhaupts, ehemaliger Straßenmusiker in London und Paris, derzeitiger Wahl-New-Yorker und Erfinder des von ihm so getauften "Blufunk" ist gewissermaßen den umgekehrten Weg gegangen. Seit mehr als 15 Jahren lässt er seine afrikanischen Wurzeln auf höchst eigenwillige Weise in anglo-amerikanischen Genres gedeihen. ~ Jens Szameit (teleschau) aufklappen »
"Nigerian Wood", Jones' fünftes Studioalbum, trägt wie schon "African Space Craft" (1995) die Reminiszenz an seine Herkunft bereits im Titel. Und doch sind die Ursprünge des Sängers hier nur noch sehr indirekt vernehmbar, bewegt er sich weiter denn je fort von Afrobeat und minimalistischem Funk hinein ins Gebiet des klassischen amerikanischen Soul. In der federnden Single "My Kinda Girl" und der Schmachtnummer "Long Distance Love", die sich wie polyrhythmisch aufgeladene Al-Green-Songs ausnehmen, zeitigt dies überaus beglückende Resultate. Der sechseinhalbminütige Groove "Pimpin'" versprüht sogar einiges Blaxploitation-Flair, und in "Lagos Vs New York" singt Jones gegen einen aufrührerischen Straßen-Chor an, der Erinnerungen an den kalifornischen Latin-Soul der 70er-Jahre weckt.
Zum Ende hin geht "Nigerian Woods" dann doch noch ein wenig die Luft aus - im lyrischen und musikalischen Allgemeinplatz "In Love Forever" und in der trüben Marvin-Gaye-Variation "My Brother", die Jones epilogartig zu faden Streichern intoniert. Doch insgesamt erweist sich die neue Spielart im Werk des gebürtigen Prinzen als ebenso fruchtbar wie inspiriert. Eine lässige und stilsichere Selbstbehauptung - jenseits von Afrika.