Der Schritt zur großen, absolut unantastbaren Country-Legende hat Kris Kristofferson bislang nicht geschafft. Was daran liegen mag, dass der US-Songwriter außerhalb seiner Heimat gerne - und auch mit einigem Recht - vor allem als großartiger Schauspieler wahrgenommen wird. Sein neues Album "Closer To The Bone" wird hoffentlich dieses Bild weiter zugunsten des Musikers korrigieren. Denn auch wenn sich Kristofferson nie als schillernder Hollywood-Superstar aufspielte, so wie der 73-Jährige sich hier präsentiert, gehört er doch in die Reihe großer Country-Outlaws wie Hank Williams, Willie Nelson und vor allem - Johnny Cash. ~ Stefan Weber (teleschau) aufklappen »
Denn der Vergleich mit dem "Man In Black" drängt sich fast schon ganz natürlich auf. Zugegeben: Ein ähnlich bewegtes Leben, eine von Höhen und Tiefen gezeichnete Karriere, die ja auch Teil von Cashs Legende ist, kann Kristofferson nicht vorweisen. Trotz dreier Ehen, acht Kindern und Affären mit Janis Joplin und Barbra Streisand. Doch die Geistesverwandtschaft beider Künstler, die später zur Freundschaft wurde, zeigte sich schon früh. Nach seiner Entlassung aus der US-Armee jobbte der junge Songwriter bei der Plattenfirma Columbia als Putzkraft und überzeugte den schon damals zum Superstar aufgestiegenen Cash von der Qualität seiner Songs - die dieser aber nie aufnahm.
Das gilt auch für "Good Morning John", den Kristofferson einst für Cash geschrieben hatte und den er jetzt auf "Closer To The Bone" veröffentlicht. Und nicht nur eben bei jenem Titel, auch auf Albumlänge lehnt sich der Songwriter an den intimen und sparsamen, leicht düsteren, aber niemals hoffnungslosen Country-Sound an, der Cashs Alterswerk "American Recordings" zu zeitlosen Meisterwerken werden ließ. Und auch Kristoffersons sonores und leicht brüchiges, manchmal zur reinen Sprechstimme reduziertes Organ trägt viel zu diesem Eindruck bei. Kristoffersons Begleitband steuert Bass, dezentes Keyboard, Schlagzeug und Mandoline bei, der Songwriter selbst spielt Gitarre und Mundharmonika und erzählt dazu mit anrührender Altersweisheit über alte Freunde, Verlust, Trauer, Freude und Schmerz. Und lässt dabei niemals die Dankbarkeit für alle diese, persönlichen Erfahrungen vermissen.
Besonders beeindruckend ist dabei der Titeltrack: Hier reflektiert Kristofferson über das nahende Ende - und wird im Refrain von keinem Geringeren als Bob Dylan an den Backing Vocals unterstützt. Klar: Auch an dessen Legendenstatus reicht er mit "Closer To The Bone" natürlich längst nicht heran. Aber Kristofferson scheint - wie Dylan, Cash und Nelson auch - im Alter noch einmal einen kreativen Höhepunkt zu erleben.