Es gibt Comebacks und Reunions, die locken keinen noch so nostalgischen Musikfreund hinter dem Ofen hervor. Wenn allerdings die Damen von "Lady Marmalade", LaBelle, ganze 51 Jahre (!) nach ihrer Gründung wieder zusammenfinden, dann ist das fast schon eine Wallfahrt nach Philadelphia wert. Vor allem, weil "Back To Now" auch noch gelungen ist. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
1958 bereits fanden sich die 14-jährige Patricia "Patti LaBelle" Louise Holt und ihre Freundinnen Nona Henryx und Sarah Dash zusammen, um die Ordettes zu gründen, die sich mit ihrem ersten Plattenvertrag 1962 in Bluebelles, später, 1970 in LaBelle umtauften. Hits wie "Groovy Kind Of Love", das später Phil Collins coverte, und viele weitere schlossen sich an. Dem Highlight ihrer Karriere, dem Platin-Album "Nightbirds" mit dem Hit "Lady Marmalade" folgte ein Jahr darauf, 1976, die Trennung. Patti Labelle blieb solo erfolgreich, Hauptsongschreiberin Nona Henryx startete in den 80ern ein gelungenes Comeback und glänzte in Film- und Theaterprojekten und als Labelbesitzerin, und auch Dash schimmerte mit einigen Einzelhits wie "Sinner Man" und "Lucky Tonight". Nach 1991 taten sie sich immer mal wieder zusammen, verloren nie den Kontakt, knallten dem Publikum großartige Konzerte oder Hits wie "Turn It Out" vor die Füße und pausierten wieder.
Die Kernzelle des Erfolges bildeten damals wie heute die extrem starken Gospelharmonien, die das Trio frech mit antirassistischen, antisexistischen oder auch erotischen Inhalten füllte. Dazu setzten sie auf schrille Kostüme und auf die Einflechtung von Glamrock, Funk und Soul. Dass sie für das neue Album "Back To Now" auf Mitstreiter wie Lenny Kravitz und das Philly-Sound-Duo Kenny Gamble und Leon Huff setzen, lässt natürlich Großes - und vor allem Zeitübergreifendes - vermuten. Und tatsächlich haben Labelle es geschafft, das Gestern mit dem Heute zu verbinden.
Als konnektiver Personalstil bleiben die Gospelharmonien und der ekstatisch-energetische Gesangsstil der drei Souldiven, auch werden nur pointiert moderne Soundelemente angefügt. Songs wie "Candlelight" erinnern stark an das damals wie heute aktuelle Gebräu aus Soul, Funk, Disco und Glam. Andere Tracks wie "Roll Out", gemeinsam mit Wyclef Jean, bemühen dezent neuere Sounds, nicht ohne das Ergebnis mollig in wattedicke Gospelchöre zu verpacken. Balladen à la "Superlover", "Dear Rosa" (für die legendäre Bürgerrechtlerin Rosa Parks) oder "Without You In My Life" gestalten sie - fast - kitschfrei ohne Nerv-Potential. Und Midtemponummern à la "System" oder "Tears For The World" erinnern daran, warum R'n'B das Wort "Blues" in seiner Bezeichnung trägt. "Truth Will Set You Free" feiert fröhlich Hot-Chocolate-Hochzeit zwischen Rock und Funk und "How Long" könnte als Nachfolger von Tanzflächeknüllern wie "It's Raining Men" fungieren.
Das Zusammenspiel zwischen dem (relativen) Youngster Kravitz, selbst ein Bewunderer von LaBelle und den alten Haudegen aus Philly funktioniert brillant, die Stimmkraft der drei Sirenen scheint ungebrochen, einzig am Songmaterial hapert es hin und wieder, was aber von der wirbelsturmartigen Energie wettgemacht wird. Anhören!