Tänzeln, hüpfen, verschmitzt lächeln - er ist jung geblieben, vielleicht sogar jünger geworden, dieser Leonard Cohen. 73 Jahre war der aus Montreal stammende Kanadier alt, als er Europa im vergangenen Jahr einen ewigen Sommer bescherte. Cohens erste Tournee seit 15 Jahren war, glaubt man Augen- und Ohrenzeugen, der Höhepunkt jeder Konzertbiografie. Wer Cohen 2008 live sah, wird alles, was war, und alles, was kommt, relativieren. Diese Konzerte waren Epen - dramatisch, fesselnd, immerwährend. Die erstklassige DVD "Leonard Cohen - Live in London" ist digitaler Zeuge eines schlicht als monumental zu bezeichnenden Ereignisses. ~ Andreas Fischer (teleschau) aufklappen »
Das Publikum an diesem 17. Juli 2008 in der O2 Arena London ist enthusiastisch. Von Beginn an. Und Cohen betritt die Bühne nicht, er stürmt sie, federnden Schrittes, seine Energie steckt an. Dabei ist der Sänger, Poet und Dichter keineswegs ein Vulkan, der ausbrechen muss. Der Mann genießt sich ganz einfach, die Musik, die Menschen vor ihm. Und er gibt dem ausgehungerten Publikum schon im Opener "Dance Me To The End Of Love", wonach es lechzt(e): als Song verkleidete pure Erotik. Und die Zeit der Entbehrungen ist vorbei.
Natürlich sind Cohens Klassiker das Gerüst seines Mega-Sets. "Bird On The Wire", "Suzanne", Who By Fire", "Hallelujah", "So long, Marianne", "First We Take Manhattan" - Cohen interpretiert sie in XL-Version mit einer Stimme, die im Laufe der Jahre noch schwerer, noch dunkler, noch samtiger geworden ist; arrangiert mit einem herrlichen Schuss Pathos aus Saxofon und Background-Vocals. Cohen ist der Größte an diesem Abend, ein glänzender Unterhalter zudem, der mit beiläufigen Anekdoten mit seinem Image kokettiert. Er habe sich in der Pause mit seinem 102-jährigen Lehrer getroffen: "He said: Excuse me for not dying. I kind of feel the same."
Das hat Charme, das ist unwiderstehlich. Und Cohen weiß das. "Ain't No Cure for Love" - Widerstand ist zwecklos bei diesem Mann. Sogar in die seichten Gefilde seiner letzten beiden Alben "Ten New Songs" und "Dear Heather" folgt man dem Auferstandenen willig. An diesem Abend darf's aber auch mal dahinplätschern zwischen all den Höhepunkten, zu denen "Tower of Song" gehört: "I was born like this, I had no choice - I was born with a golden voice". Dem gibt es fast nichts hinzuzufügen. Amen.
"I Tried To Leave You" singt der "Ladies Man" nach zweieinhalb Stunden - eine programmatische Ansage zum Schluss, die einen Versuch benennt und das Scheitern desselben impliziert. Denn so wenig wie sich Cohen an diesem Abend (wie an allen anderen der 2008er-Tournee) von seinem Publikum trennen kann, so wenig wird das andersrum gelingen. Seine Jünger werden ihm auch im Sommer in die größtmöglichen Hallen folgen: Cohen beehrt dann die Kölner Lanxess-Arena (1. Juli) und die Berliner O2-World (2. Juli).
Cohens Wärme, sein Gespür für das Publikum, die außergewöhnliche Bühnenpräsenz und natürlich seine Songs schaffen eine magische Atmosphäre. Und die Produzenten haben es geschafft, diesen Abend in seiner ganzen Größe festzuhalten: "Leonard Cohen - Live in London" ist sowohl vom Ton, als auch von Kameraführung und Schnitt her eine Referenz. Der exzellente Klang bringt sowohl in der räumlichen 5.1-Variante als auch im simplen, aber knackigen PCM-Stereo jedes Instrument, die Lead- und Backing Vocals präzise zur Geltung, es gibt keinerlei störende Übersteuerung. Scharfe und kontrastreiche, mit ruhiger Kamera gefilmte Bilder wurden unaufgeregt aneinandergereiht.