"Das ist das beste Album, das wir jemals aufgenommen haben", tönen Living Colour vollmundig über "The Chair In The Doorway." Ganz abgesehen davon, dass einem dieser Satz irgendwie bekannt vorkommt - schließlich veröffentlicht jede Band immer und überall immer gerade ihr bestes Album - könnten Living Colour diesmal sogar recht mit dieser Plattitüde haben. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Der Grund: "The Chair In The Doorway" ist unglaublich variantenreich. Diesmal erscheinen Living Colour auf dem legendären Label "Megaforce" (Metallica, Black Crowes, Anthrax), und sie nutzen die Gelegenheit, den Hörer kreuz und quer durch ihr Know-how und durch die Rockgeschichte zu führen. Die sie ja zum Teil mitgeprägt haben. Und Überraschung: Dieses zweite Album seit der Trennung 1995 kracht und rockt so frisch wie nie zuvor. Während Reunion-Album Nummer eins, "Collideoscope", eher leise und von den 9/11-Ereignissen geprägt war, geht es hier unbeschwert und voller Energie zur Sache.
Vernon Reid, Corey Glover, Will Calhoun und Doug Wimbish, formierten sich 1983 (damals mit Muzz Skillings statt Wimbish am Bass, der kam "erst" 1992) und preschten in den späten 80-ern als eine der ersten schwarzen Funk-Metal Bands mit ihrem Hit "Cult Of Personality" und dem Debütalbum "Vivid" in die Charts. Es folgten Awardverleihungen und große Konzerthallen, illustre Fans wie Mick Jagger und L.C. wurden gefeiert wie kaum eine zweite afroamerikanische Band. Denn die vier New Yorker Jungs brachten ein Publikum zum Headbangen, das vorher nur die Hüften zu Soul oder R'n'B schwang, sie rissen Rassengrenzen und Genre-Schubladen ein und nutzten ihre Prominenz für politische Texte statt für zerstörte Hotelzimmer.
Für "The Chair In The Doorway" bringen sie jetzt das ganze Know-how, das sie besitzen, an den Mann und die Frau, natürlich stets befeuert von Reids fulminantem Gitarrenspiel, das sich exakt auf der Grenze zwischen Metal, Rock, Jazz und Black Music bewegt. Während einige der Songs gefällige klassische Eighties-Soul- und Rock-Elemente vereinen ("Burned Bridges", "Behind The Sun"), wird es auf anderen krachig, rasant, dunkel und laut ("The Chair", "Out Of My Mind"). Klassische Rocker ("Decadance", "That's What You Taught Me") mit nur noch rudimentär vorhandenem Funkappeal reichen sich die Hand mit einem treibenden, energiegeladenen Song wie "Young Man". Und "Hard Time" geriert sich als (fast) radiotaugliche Popnummer mit Zupfgitarre - freilich nur bis zur brachialen Bridge, die von Living Colour in fast jedem Song eingesetzt werden.
Denn so viel sollte klar sein: Living Colour sind eine Rockband. Eine 90er-Jahre-Rockband. Denn das hört man leider durch fast alle Songs. Es ist, als ob die letzten zehn Jahre nicht vergangen wären. Aber wer das mag, der wird sich an "The Chair In The Doorway" so richtig freuen können.