Wenn man böse wäre, könnte man sagen: Marc Cohn ist seit seinem einzigen Hit "Walking In Memphis" vor 20 Jahren inzwischen ein alter Sack, das von ihm jetzt gecoverte "Wild World" von Cat Stevens eine olle Kamelle und die von ihm benutzte Mundharmonika sowieso das Soundtrackinstrument für die erste Stützstrumpfhose. Warum nur macht Marc Cohns neues Album "Listening Booth: 1970" aber trotzdem so verdammt gute Laune? Ganz einfach, weil es Spaß macht, alte Freunde wieder zu hören. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Mark Cohn aus Cleveland, Ohio, 51 Jahre, war und ist ein ganz stiller Star. Wenn er überhaupt von sich reden macht, dann nur deshalb, weil jemand versucht, seinen Wagen zu klauen und ihm dabei in den Kopf schießt (2005, er wurde nur leicht verletzt). Er ist ein Familienmensch, findet Musiker bescheuert, die lieber im Studio stehen, statt mit ihren Kindern zu spielen und gibt nur hin und wieder mal ein Album heraus.
Seine Musik ist dabei so gelassen wie er. Diesmal hat er es sich in seiner gemütlichen, gitarrenlastigen und doch zeitlosen Art Songs vorgenommen, die wir alle kennen und die grob um das Titeljahr "1970" herum entstanden sind. Ein Jahr, in dem Cohn selbst erst elf Jahre alt war, das ihn dank der Musiker, denen er diese Hommage widmet, aber nachhaltig geprägt hat.
Songs der Beatles sind dabei, von Cat Stevens, Paul Simon oder John Fogerty. Dabei aber hat Cohn relativ zielsicher die Lieder erwischt, die nicht zu abgenudelt sind. Die noch nicht zu den Standards mieser Strandlagerfeuer-Alleinunterhalter oder zum wehrlosen Repertoire deprimierender Quietschorgel-Hochzeitsmusikanten degeneriert sind. Denn dazu sind sie nicht plakativ genug, zu feinnervig oder zu schwierig.
Über die Songliste, die Cohn für seine Interpretationen zusammengestellt hat, darf man dennoch trefflich streiten. Wayne Carson Thompsons Song "The Letter" (berühmt durch die Box Tops) als gemütlicher Altherren-Tango im Django-Reinhardt-Schrammelsound mag noch plausibel sein. Auch die Wahl von JJ Cale/Eric Claptons "After Midnight", "The Tears Of A Clown", Van Morrisons "Into The Mystic" oder "New Speedway Boogie" von Grateful Dead.
Aber hätte man von Paul Simon kein bekannteres und/oder schöneres Stück als "The Only Living Boy in New York" auswählen können? Und warum ausgerechnet das fade "No Matter What" von Badfinger im Tüttelkleid? Egal: Ein paar schicke Gäste hat sich Cohn für seine besinnliche Rückschau auch ins Studio geladen, beispielsweise die sehr coolen Sängerinnen Aimee Mann, India.Arie und Kristina Train. Auch ihr Mitwirken macht "Listening Booth: 1970" sicher zu keinem Album für die oberen Regionen der Charts. Ein schönes, leises und sehr persönliches Statement zur musikalischen Vergangenheit ist es dennoch.