Ein bisschen was für jeden: Das, so sagt Mariah Carey selbst, stecke in "Memoirs Of An Imperfect Angel". Wenn man die Aussage ein bisschen auf ihren Wahrheitsgehalt abklopft, bleibt natürlich nicht viel davon übrig. Denn das zwölfte Studioalbum der 39-Jährigen dürfte sich zwar verkaufen wie geschnitten Brot. Aber kaum bei all denjenigen punkten, die mit diesem so glatt gebügelten Mix aus getragenen Pop und pompösem R&B nicht arg viel anfangen können - zumal Mariah Carey und ihr Team eine der größten Sünden der Produktionsgegenwart in die Platte einfließen lassen: In "Standing O" hört man plötzlich Autotune. Das ist der Effekt, der schon bei Cher so nervte und in der Black Music dank heftigem Einsatz durch Genregrößen wie Akon oder Kanye West inzwischen auch umstritten ist. Auch sonst scheint diesmal das Glätteeisen verstärkt zum Einsatz gekommen zu sein: So blank poliert, so artifiziell klang selbst Mariah Carey selten, so bemüht urban arbeitete sie ebenfalls noch nie. ~ Jochen Overbeck (teleschau) aufklappen »
Wirklich Richtung Ghetto schielt Carey aber nur selten, und das ist gut so: Wenn in "Obsessed" die Beats zu dick werden und der Gesang von markigen Raps unterstützt wird, wirkt das kaum glaubwürdig. Den leichten Party-Flavour von "More Than Just Friends" hätte man sich getrost sparen können - auch ein paar Trommeln und "Oh"-Chöre machen Mariah Carey nicht zu J-Lo oder Gwen Stefani. Auf der Uptempo-Seite weit vorne ist dagegen "Out Of My Face", wo Carey erstaunlich frech und selbstbewusst eine Trennung erklärt: "When I break I break" heißt es hier zu einem hübsch trockenen R&B-Beat. Schade, dass der Verzicht auf überflüssigen Ziertand, der diesen Song hervorhebt, nicht öfter geübt wurde.
In ihrem Kerngebiet, der großen, alles Stimmvolumen ausnützenden Ballade, macht ihr dagegen nach wie vor niemand etwas vor. Dass sie sich im gedämpften Licht, direkt neben Streicherwänden und dem Keyboard am wohlsten fühlt, ist in "H.A.T.E.U." oder einer Coverversion nachzuhören, die so manchem Classic-Rock-Fan die Tränen in die Augen treiben dürfte: Aus Foreigners "I Want To Know What Love Is" schnitzt sie ein dramaturgisch ausgetüpfeltes und wirklich unfassbar kitschiges Soul-Öperchen, das in der Vorweihnachtszeit die Kassen kräftig klingeln lassen dürfte.
Natürlich darf auch das charakteristische Kieksen nicht fehlen: In "Inseperable" gibt's die üblichen "Uuh-Uuhs", aber auch einen Kopfstimmen-Overkill, der sich gewaschen hat. Insofern stimmt's natürlich: "Memoirs Of An Imperfect Angel" hat für so ziemlich jeden was dabei. Ist aber in seinen Einzelangeboten doch etwas schwach.