Natürlich sind die Aussagen von Mark Knopfler zu seinem neuen Album "Get Lucky" auch zu seinen Ungunsten interpretierbar: "Ich mache nun mal immer weiter", lässt der Sänger, Gitarrist und Songwriter verlautbaren, "das ist es eigentlich auch schon." Tatsächlich hat der heute 60-jährige Schotte nach dem Ende der Dire Straits 1995 seine Karriere ziemlich unbeeindruckt solo fortgesetzt. Und ja: In einigen Fällen war und ist das nicht in allerletzter Konsequenz zwingend. Die unaufgeregte Lässigkeit, mit der Knopfler ein feines Roots-Werk wie "Get Lucky" hinwirft, beeindruckt dennoch. ~ Stefan Weber (teleschau) aufklappen »
Seine bereits erwähnte Aussage kann man dabei auch anders verstehen: Knopfler macht tatsächlich weiter - mit der Betonung auf "weiter". Natürlich lässt die Gitarren-Ikone bei Songs wie dem verhaltenen Shuffle-Rock "Cleaning My Gun" und dem nachdenklichen "Remembrance Day" eines seiner unnachahmlichen Solos erklingen. Aber unverbesserliche Dire-Straits-Nostalgiker seien vorgewarnt: Der Gitarrist hat mit dem knackigen Rock-Sound seiner Ex-Band längst abgeschlossen.
Stattdessen begibt sich der Songwriter Knopfler auf die Suche nach seinen Wurzeln. Gleich im Opener "Border Reiver" erklingen Akkordeon, Flöte, Violine - keltische Folk-Elemente, die in mehreren Songs wieder auftauchen. Beim wunderbar träumerischen "Hard Shoulder" sind Orgel, Hörner und Streicher so extrem warm und vorsichtig arrangiert, singt Knopfler so sanft, dass sich fast ein Vergleich mit großen Croonern der 60er-Jahre aufdrängt. Und "You Can't Beat The House" ist eine sagenhaft lässig trabende und klassische Blues-Nummer - bei der Knopfler höchstens den Kenner, aber nicht den Gitarren-Könner raushängen lässt.
Dazu gibt der Songwriter Knopfler den teils autobiografischen Geschichtenerzähler: In "So Far From The Clyde" verneigt er sich vor der Ära der großen Dampfer, "Monteleone" ist einem Gitarrenbauer gewidmet, und "Border Reiver" erweckt die schottischen Lkw-Fahrer, die Knopfler in seiner Jugend beobachtete und kennenlernte, zu neuem Leben. Übertriebene Nostalgie oder gar Langeweile kommen bei dieser Reise in die Vergangenheit aber nicht auf. Höchstens ein wenig Altersmilde mag man Knopfler an der einen oder anderen Stelle vielleicht vorwerfen oder - positiv gewendet - seine gelassene Altersweisheit preisen. Aber den 60-Jährigen wird sowieso weder das eine noch das andere Urteil daran hindern, auch in Zukunft immer weiter zu machen.