Progressive Rock schleppt schon seit jeher diesen gewissen Mief mit sich herum: Verkopfte Musiker stricken an ausladenden Songstrukturen, deuten hier und da etwas Vielversprechendes an, vergessen aber, es einzulösen und erfreuen sich vielmehr an ihren avantgardistischen Soundlandschaften, die eine eigene Welt erschaffen. So oder so ähnlich dürfte die Klischee-Vorstellung von "Prog" sein. Mastodon hingegen schenken dem Hörer mit "Crack The Skye" (fast) klischeefreien Prog. ~ Lothar Gerber (teleschau) aufklappen »
Ihr großer Trumpf ist dabei ihr unwiderstehlicher und unvermeidbarer Groove. Natürlich: Unter vier Minuten kommt kaum einer der Songs auf ihrem neuesten Opus, "Crack The Skye" (der Titel ist übrigens auch eine Anspielung auf die Schwester von Schlagzeuger Brann, die mit 15 Jahren Selbstmord beging). Der Prog hat sich im Vergleich zum kompakteren Vorgänger, "Blood Mountain", mehr Raum erschlossen. Dennoch spürt man immer: Die Axt ist da. Auch wenn man sie nicht hört, hält sie das Quartett aus Atlanta, Georgia, stets in den Händen - nur eben hinter dem Rücken versteckt, um zu gegebenem Zeitpunkt alles und jeden niederzumähen und in Grund und Boden zu rocken.
Nehmen wir das zentrale Stück "The Czar": Hard-rockig, leicht sphärisch und balladesk geht es los und zu wie beim beschaulichen morgendlichen Aufbruch zu einer Bergwanderung. Nach 2:45 Minuten jedoch: erste Zeichen eines Unwetters. Ein kurz angespieltes Jahrhundert-Riff kündigt Absturz und Katastrophe an, die auch sogleich in Form von tightem Gerocke losbricht. Erfreulich ist auch der hohe Gesangsanteil. Auf ihrem ersten Album, "Remission", herrschte noch das Gesetz des Gröhlens, auf "Crack The Skye" geben sich Mastodon ihrem Hang zu Melodien hin.
In einem Punkt entspricht die Musik von Troy Sanders, Brent Hinds, Bil Kelliher und Brann Dailor jedoch ganz und gar dem Prog-Rock-Stereotyp: Die Herren liefern mit "Crack The Skye" ihr viertes Konzeptalbum hintereinander ab. Es geht um einen Querschnittsgelähmten, das fünfte Element (Äther), Seelenwanderungen, Wurmlöcher und die russische Sekte der Chlysten. Die Fans können/müssen sich da schön hineindenken, sagen die Progger. Allen Nichteingeweihten sei aber versichert: Mastodon könnten auch einfach nur "La-la-la" singen, sie wären trotzdem die größte Metal/Prog/Rock-Hoffnung dieser Tage.