Kein Zweifel, dieser kernige, braun gebrannte Kerl auf dem Cover ist wirklich der Früh-90er-Schwiegermuttertraum Michael Bolton. Mit neuem Look und altem Sound bietet der erfolgreiche Grammygewinner ansonsten auf "One World One Love" einige wenige Überraschungen und ganz viele neue schöne Schnulzen. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Zeit seines Lebens kämpfte Michael Bolton dagegen an, als Blue-Eyed-Soul- oder gar als Easy-Listening-Sänger (was beides streng genommen auch nur eine nette Umschreibung für "Schnulzeninterpret" darstellt) angesehen zu werden. Aber wie will man ihn angesichts von Kuschelrock-Hits wie "How Am I Supposed To Live Without You", "When A Man Loves A Woman" oder "Said I Loved You ... But I Lied" auch sonst bezeichnen? Er probierte es mit "Bolton Swings Sinatra", versuchte sich an Opernarien, komponierte für Kiss, tauchte als Sample bei HipHopper Kanye West auf ("Maybe It's The Power Of Love" in "Never Let Me Down"), packt in Konzerten an der Gitarre den (Blues-)Rocker aus ("Rock Me") und verpasste sich diesen kernigen neuen Look - mit 56 Jahren keine Falte, kein Wabbelkinn. Aber nichts hat geholfen. Obwohl er steif und fest behauptet, auf diesem Album neue Risiken eingegangen zu sein (ist er mit dem Mountainbike durch L.A. zum Studio geradelt?) und junge Komponisten für frischere Sounds und neue Songs gebucht hat, sogar ein Duett mit Lady Gaga singt - Michael Bolton klingt immer noch wie Michael Bolton.
Das Gute an ihm: Wenn man seinen Anfangs-90er-Sound mag, wenn man ein Fan seiner herzerweichenden Balladen aus dieser Zeit ist, wird man nicht enttäuscht, denn Bolton zeigt sich auf "One World One Love" diesbezüglich wirklich in Hochform. Die leicht heisere Stimme sexy im Anschlag, die Songs wohl durchdacht und selten gecovert: Außer "Sign Your Name" (Terence Trent D'Arby), "Crazy Love" (Van Morrison) und "Invisible Tattoo" (Leonard-Cohen-Muse Sharon Robinson) ist alles neu.
Hin und wieder wagt Bolton schon mal klitzekleine Sequencer- oder Vocoder-Spielereien, aber meist stattet er die Radiosender weltweit mit freundlichen, unkomplizierten Optimisten-Popnummern aus, die "Survivor", "Can You Feel Me" oder "The Best" heißen. Dazu ein Downbeatsong wie "Murder My Heart" (das erwähnte Duett mit Lady Gaga) und eben - Schnulzen, Schnulzen, Schnulzen. Noch dazu ist er wieder frei, denn von seiner Dauerverlobten Nicolette Sheridan ("Desperate Housewives") ist er seit August 2008 getrennt. Ideale Voraussetzungen also, um auch 2010 wieder Schwiegermütter zum Träumen zu bringen.