Den zärtlichen Hinweis im Albumtitel hätte man eigentlich gar nicht gebraucht. Denn dass auch vom zweiten Album der kanadischen Techno-Band MSTRKRFT eine deftige und sehr unmittelbare Stärke ausgehen würde, die die Platte zumindest zeitweise nah an das zerstörerische Moment einer Naturkatastrophe rücken würde, dürfte klar sein. Immerhin ist das kanadische Duo neben dem bald veröffentlichenden Alex Ridha (Boys Noize), Justice und Digitalism wohl der Act, der am stärksten für einen Paradigmenwechsel in den Hörgewohnheiten der Kids steht. ~ Jochen Overbeck (teleschau) aufklappen »
Es ist Techno, so viel ist sicher. Aber eben einer, der Fans aus allen Lagern zieht, der auf Rockfestivals gleichermaßen funktioniert, wie in der Indiedisse oder auf einem Rave. Solche Verschmelzungen zwischen den Genres waren zuletzt Mitte der 90er-Jahre bei The Prodigy oder den Chemical Brothers erkennbar, führen die Bands aber auch geradewegs ins Dilemma: Distinktionsgewinn durch Abgrenzung und Konzentrierung aufs Wesentliche? Oder doch lieber rein in den Mainstream?
MSTRKRFT versuchen auf "Fist Of God" beides. Das Verblüffende: Es funktioniert. Einmal änderten sie wenig, was die Struktur angeht. Nach wie vor speist sich ihr Sound eher aus den Synthie-Hooks als aus den Beats. Und sucht seinen Sinn vornehmlich in der Steigerung, im Erreichen eines musikalischen Maximums. Wie quälend das sein kann, wie fies das außerhalb der euphorisierten Atmosphäre des Nachtlebens ist, zeigt am besten "Vuvuvu", das einfach nur dick, dick, dick ist. Aber andererseits eben - und das war auch das Problem des Debütalbums - eher ein Track als ein Song und somit auf einem Album kaum gültig. Wer die Melodie sucht, den Pop, der wird hier sicher nicht glücklich werden.
Aber dann setzt man doch auch auf die Hook-Wirkung poppiger Vocals. Allzu großen Ausverkaufs-Vorwürfen gehen die beiden dabei geschickt aus dem Weg. Anstatt sich quasi im Genre und Freundeskreis zu bedienen, wie das zuletzt etwa die musikalisch durchaus verwandten Simian Mobile Disco taten, setzen MSTRKRFT auf die methodische Verwandtschaft, auf die gemeinsamen Wurzeln von Techno und schwarzer Musik. Vornehmlich rekrutierten sie ihre Gäste im Old-School-HipHop. Sie luden etwa die New Yorker HipHop-Legende N.O.R.E. ein, der "Bounce" tatsächlich zu einer ziemlich energetischen Nummer im Graubereich zwischen Rap und Elektro macht. Des Weiteren am Start: R'n'B-Samtstimme John Legend, den man auf einer MSTRKRFT-Platte nicht unbedingt erwartet hätte und der "Heartbreaker" zwar nicht vom Beat befreit, aber tatsächlich verblüffend weit Richtung Soul zieht. Einer der wenigen Songs, während denen dieses Album nicht wütende Faust, sondern eher streichelnde Hand ist.