Schon mit seinem Debüt-Album "Wolves" spielte sich das schottische Indie-Quintett My Latest Novel 2006 in die Herzen der Hörer. Interviews mit den Brüdern Gary und Chris Deveney sind dank ihres schottischen Idioms zwar komplett unverständlich, aber als Charme- und Übersetzungselement leistet dafür die liebeswürdige Geigerin Laura McFarlane hervorragende Dienste. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Indie? Geigerin? Ganz recht, denn obwohl sich My Latest Novel eines gitarrenlastigen Indie-Sounds bedienen, gaben die Fünf aus Greenock noch ein paar untypische Zutaten hinzu: Geige, Xylofon, Perkussion und perfekten, bis zu vierstimmigen Satzgesang. Das erste Album brachte der Band große Anerkennung in der Indie-Szene, und so brauchten sie nun volle zwei Jahre, um das neue, berühmt schwere zweite Album zu erstellen. Zwei Jahre lang verbarrikadierten sie sich in einem alten Pub in ihrer Heimatstadt, um "Deaths & Entrances", das den Titel eines Dylan-Thomas-Gedichts zitiert, zu erarbeiten.
Zwei Jahre voller Selbstzweifel könnte man meinen. Denn wie der Titel bereits vermuten lässt, sind die Themen diesmal etwas düsterer geraten, Mord und Totschlag, sozusagen. Aber auch Krieg, Zeitreisen und andere schwere Geschütze werden aufgefahren. Entsprechend fehlt auch die flockige Leichtigkeit, die frühere Songs wie "Sister Sneaker" auszeichnete. Das heißt aber nicht, dass der Sound düster wäre - mitnichten. Er ist nur stärker geworden, voller, selbstbewusster und selbstbestimmter. Die virtuose Vielschichtigkeit der Stimmen ist bis zur Perfektion ausgearbeitet worden. Bereits der druckvolle und doch lyrische Opener "All In All In All Is All" mit seinem Klangteppich aus Rockgitarre und bitonaler Geige, mit seinem fugenartigen, völlig autarken Gesangsstimmen ist großartig und auch repräsentativ für das Album. Das dunkle "Dragonheart", das epische Anti-Kriegslied "Argument Against The Man" und das folgende "Man Against The Argument", das so zart beginnende "If The Accident Will", das in einen furiosen Aufschrei mündet, oder das ultratraurige "Hopelessly Endlessly" stehen trotz der unterschiedlichen Grundtöne nicht im Gegensatz zu einer gewissen Leichtigkeit.
Denn die dunklen Lieder beißen sich nicht mit den federleichten Songs wie dem liebenswert-melancholischen "A Dear Green Place", dessen optimistischer Grundtenor von einem Zweierbeat in einen Sechserrhythmus getrieben wird. Nein, dieser Mix aus einfachen Krachelementen, Muse-Melodik, lyrischem, ausgearbeitetem Gesang, klassisch dramatisierten Abfolgen der Parts hat Eleganz und Tiefe. Die Beimengung von Bläsern, Trommelwirbel, Streichern und immer wieder dezent bedrohlich im Hintergrund laufenden elektronischen Geräuschen, die Dunkelheit, der doch immer wieder eine Wärme verliehen wird, von ein paar musikalischen Sonnenstrahlen erhellt wird, verleiht den Liedern dazu eine andächtig wirkende Ausgewogenheit. Diese Tiefe und Schönheit, die von romantisch bis dramatisch jedes Gefühlsspektrum abdeckt, lässt hoffen, dass My Latest Novel mit "Deaths & Entrances" so richtig durchstarten.