Bei Paaren mag es das verflixte siebte Jahr geben. Bei Geschwisterpaaren gibt es aber kein verflixtes siebtes Album. Zumindest nicht bei den Gallaghers, nicht bei Oasis und nicht bei deren neuem Longplayer "Dig Out Your Soul". ~ Claudia Nitsche (teleschau) aufklappen »
Schon "Bag It Up" zeigt zu Beginn diesen eigentümlichen Pop, Gitarrenpop, der sich traut, zu strippen. Der mächtig ist, dessen Schultern breit genug sind für den Mainstream. Und doch sind da Ecken und Nischen für den Künstler in den Gallaghers. Oasis sind freier geworden. Steigerung bedeutet für sie nicht mehr, einen noch größeren Hit zu schreiben als "Morning Glory" oder "Wonderwall". Songwriter Noel durchbricht das gängige Schema, traut sich eine Laune auszuleben, wenn ein Song seine Metalmomente braucht, bekommt er sie und wird doch in den Schoß eines konsumierbaren Hits zurückkehren.
Bei der vorgeschalteten Single "The Shock Of The Lightning" geht das Quartett eher auf Nummer sicher. Da ist der unverkennbare Oasis-Sound gekoppelt mit einem eingängigen Refrain ("Come In, Come Out"), worauf bei den anderen Songs oft verzichtet wird. Noel Gallagher erklärt, jenes Lied habe immer noch seinen Democharakter, sei sehr schnell aufgenommen worden.
Die Ballade heißt "I'm Outta Time" und hat wenig besondere Merkmale, weniger jedenfalls als das ohrwurmverdächtige "(Get Off Your) High Horse Lady" mit seinem stoischen Rhythmus und der verzerrten Stimme. "Falling Down" ist das genaue Gegenteil: zuckersüße Vocals mit energischem Text. Eine gelungene Mischung, die beweist, dass ein siebtes Album weder ein verflixtes, noch ein langweiliges sein muss. Selbst wenn ein orientalisch gestaltetes "To Be Where There's Life" sich etwas auffällig um Abwechslung bemüht, überzeugt es spätestens im Mittelteil. "Ain't Got Nothin'" ist ein Tritt in den Rücken, der melodisch die Knochen krachen lässt.
Mag dieses siebte Jahr Paare vor die Zerreißprobe stellen, das Geschwisterpaar Gallagher, und natürlich ihre beiden Mitstreiter im Hintergrund, stehen - zumindest akustisch - zusammen wie eine Wand. Unterstützt von einem Mann, der Freiheiten lässt, Raubein Dave Sardy, der der Band bereits bei "Don't Believe The Truth" 2005 als Produzent diente.
Da bleibt nur zu sagen: Oasis sind eine Band, bei der immer mal wieder einer von der Bühne fallen wird. Neuerdings auch mit Fremdeinwirkung, wie im September geschehen, als ein Fan in Kanada Noel umbolzte. Der 41-Jährige spielte weiter, wie auch diese Britpop-Geschichte wohl immer weitergehen wird.