"Good Vibrations" von den Beach Boys ist einer, wenn nicht der größte Popsong aller Zeiten. Denn hier stimmt alles: Melodie, Harmoniegesang, Instrumentierung und nicht zuletzt - Songstruktur. Wie die unterschiedlichen Teile hier ineinandergreifen und aufeinander aufbauen, zeugt auf beeindruckende Weise von der Kunstfertigkeit Brian Wilsons. Ganz im Geiste des Beach-Boys-Genies erhebt das US-Quintett Of Montreal dieses Baukasten-Pop-Prinzip auf ihrem Album "Skeletal Lamping" zur Kunst. Um nicht zu sagen: Kunsthochschule. ~ Stefan Weber (teleschau) aufklappen »
Früher eine psychedelisch angehauchte Indie-Pop-Band, tendieren Of Montreal mit jedem Album mehr zu einer gewissen Verstiegenheit. Strophe, Refrain, Bridge - mit diesen einfachen Popmusikelementen ist "Skeletal Lamping" kaum noch zu beizukommen. Wenn überhaupt ist das Album, ist jeder Song in seine einzelnen Bestandteile zu zerlegen. Im Falle des Openers "Nonpareil Of Favor" wäre die Analyse folgende: Zunächst Falsett-Disco, dann trabender Satzgesang-Pop, der nahtlos ins Noise-Rock-Inferno übergeht und von dort nicht mehr zurückkehrt.
Auf diese Weise könnte und müsste man sich fast jedem Song auf "Skeletal Lamping" versuchen zu nähern. Oder einfach versuchen sich vorzustellen, dass die Scissor Sisters gemeinsam mit schon leicht verwirrten Brian Wilson David-Bowie-Songs schreiben und sie teilweise von Prince singen lassen. Klingt schon auf dem Papier schwer nach Kakophonie. Und dennoch dringen ein ums andere Mal aus dem Stimmengewirr nicht unbedingt eingängige, aber doch Songs im engeren Sinne durch. "An Elurdian Instance" überzeugt durch stringente Bläsersätze, "St. Exquisite's Confessions" ist eine herrlich bassgetriebene, kühle Funknummer.
Der Großteil von "Skeletal Lamping" ist jedoch reines Spiel. Mit musikalischen Konventionen, aber auch sexuellen Konnotationen. "We can do it soft core, if you want, but you should know I take it both ways", singt Of Montreals Chef-Que(e)rkopf Kevin Barnes in "For Our Elegant Caste". Das Quintett ist - wenn man so will - eben in jeder Richtung offen. Gleiches gilt aber auch fürs Ergebnis: Vom verkopften Baukasten-Pop bis zur perfekt aufgetürmten Mini-Symphonie ist hier alles drin.