"Mademoiselle Chante Le Blues" - damit begann vor mehr als 20 Jahren der Erfolg: Patricia Kaas hat sich seit ihrem Debüt zu einer der kommerziell erfolgreichsten Sängerinnen im Pop-Ensemble der Grande Nation etabliert. Dabei hat sich die zweisprachig aufgewachsene Tochter eines Franzosen und einer Deutschen aus dem beschaulichen lothringischen Stiring-Wendel nie Frankreichs Chanson-Kultur im eigentlichen Sinne verpflichtet gefühlt. Rock, Pop, Jazz und eben der Blues sind die Koordinaten ihrer musikalischen Karriere, in der auch ihr neues Album "Kabaret" geerdet ist. ~ Andreas Fischer (teleschau) aufklappen »
Patricia Kaas' größtes Kapital ist ihre Stimme: unbeugsam, rau, rauchig. Wenn Madame singt, dann ist das pure Melancholie, egal wie, nun ja, populärkulturell angepasst ihre Songs geschrieben und arrangiert wurden. Kaas konnte sich, trotz aller berechtigter Kritik an ihren bisweilen arg auf das aus sauberen Gläsern Rotwein trinkende Bürgertum zugeschnittenen Alben, immer eine gewisse Authentizität bewahren. Dank jener Stimme, die sie - vor allem live - facettenreich und mit inbrünstiger Überzeugung an die physischen Grenzen führte.
Auch "Kabaret" ist ein janusköpfiges Album. Einerseits eine ehrliche Hommage an die "Goldenen Zwanziger" und frühen 30er-Jahre, an die Dietrich, an den Swing, an das freie Künstlerleben in den kleinen Bars und Clubs zwischen den Kriegen. Andererseits sind die Songs von "Addicte Aux Heroines", "Wo sind die Clowns", "Mon Piano Rouge" und "Falling In Love Again" relativ gefällig inszeniert - das Verruchte jener Zeit wurde Lounge-tauglich gemacht. Die Kaas spielt mit dem Klischee, lässt sich freiwillig ein perfekt produziertes musikalisches Korsett verpassen, aufgehübscht mit Applikationen aus sanften Elektroklängen.
Dass "Kabaret" dabei länderspezifisch in verschiedenen Versionen veröffentlicht wird, ist Teil des Gefälligkeits-Konzepts. In der deutschen Variante wird also oft deutsch gesungen, da ist mit "Falling In Love Again" eine verspielte, auf Retro gebürstete Verbeugung vor dem "Blauen Engel" genauso zu finden, wie der Hildegard-Knef-Song "Das Glück kennt nur Minuten", einem der stärksten Stücke des Albums. Da kommt dann auch einmal Kaas' Stimme richtig zum Tragen, auf einem Album, das ein wenig vor sich hinplätschert. Den Blues singt Madame hier leider nicht.