Streng genommen darf man "Backspacer" natürlich nicht als Comeback von Pearl Jam bezeichnen. Wirklich von der Bildfläche verschwunden waren die Mannen um Sänger Eddie Vedder nie, ihr letztes Album "Pearl Jam" liegt auch erst drei Jahre zurück. Aber irgendwie stimmt die Behauptung dann doch. Denn das neunte Album der Seattle-Legenden, klingt frisch und glänzt in knapp über 36 Minuten mit elf treffsicheren und zielsicheren Songs. Die größte Überraschung jedoch: Pearl Jam wirken, vielleicht zum ersten Mal überhaupt, unbelastet. Ja, für ihre Verhältnisse fast schon unbeschwert. ~ Stefan Weber (teleschau) aufklappen »
In den 20 Jahren ihrer Karriere konnte man immer wieder den Eindruck gewinnen, dass Pearl Jam sich selbst ein wenig im Weg stehen. Nicht wirklich zufrieden sind, wie die Dinge laufen. Sowohl persönlich als auch gesellschaftlich. Der plötzliche Superstar-Status, die Erhebung zu Grunge-Größen, der Medienrummel, alles was der Band schon mit ihrem Debüt "Ten" quasi über Nacht entgegenschlug, war der Band nie geheuer. Dementsprechend gab Vedder sich verschlossen und nur selten Interviews, verweigerte jegliche Promotion neuer Musik. Und in späteren Jahren wirkte der politisch engagierte Sänger oft, als ob er schwer an den Problemen der Welt zu tragen hätte. Was sich in leicht selbstmitleidig wirkenden Songs niederschlug.
Auf "Backspacer" ist davon so gut wie nichts mehr zu spüren. Gleich der Opener "Gonna See My Friend" ist ein krachiger Garagen-Rocker, der laut Gitarrist Stone Gossard eine tiefe Verbeugung vor den Seattle-Helden von Mudhoney ist. Der folgende Punk-Song "Got Some" zeigt Pearl Jam in absoluter Höchstform und -geschwindigkeit. Die Vorabsingle "The Fixer" wiederum ist kraftvoller und spielfreudiger Rock, zudem eingängig und melodisch und, ja, ein richtiger Ohrwurm. Das hohe Anfangstempo dieser ersten drei Songs halten Pearl Jam dann nicht ganz, verblüffen aber dennoch. Denn "Just Breathe" überzeugt als fast schon naive Akustik-Ballade mit sorgsam arrangierten Streichern. Den Sinneswandel der Band verdeutlicht aber "Amongst The Waves" am besten. Der Midtempo-Rocker lässt noch eine kleinen Rest früherer Melancholie spüren. Aber die sorglosen Blues-Licks von Gitarrist Mike McCready und Eddie Vedders hingebungsvoller Gesang versprühen Optimismus.
"Riding high amongst the waves / I can feel like I have a soul that has been saved", singt er dort. Dass Vedder mit sich selbst im Reinen, seine Seele gerettet ist, glaubt man dem Frontmann an dieser Stelle tatsächlich. Und ja, fast möchte man meinen, dass er hier unbeschwert übers Wellenreiten singt. So viel hörbare Lebensfreude bei Pearl Jam festzustellen, ist zunächst einmal ungewohnt. Aber gerade deswegen ist "Backspacer" endlich wieder ein richtig ausgezeichnetes Album.