"In Arcady your life trips along / It's pure and simple as the shepherd's song." Peter Doherty, der nicht mehr Pete genannt werden mag, macht sehr schnell klar, worum es ihm bei "Grace / Wastelands" geht. Der große Kindskopf und Romantiker unter den englischen Songwritern sucht weiter nach seiner Insel der Glückseligkeit. Und diesmal macht er's allein. Sein Solodebüt ist einerseits längst überfällig. Auf irgendwelche Babyshambles ist das erratische Genie künstlerisch gewiss nicht angewiesen. Andererseits bedarf die selbstzerstörerische Skandalnudel natürlich stets guten Zuspruchs und helfender Hände. Smiths-Produzent Stephen Street und Ex-Blur-Gitarrist Graham Coxon haben ihn durch die Aufnahmen begleitet. Und doch ist "Grace/Wastelands" vor allem eins: Petes, pardon: Peters ganz persönlicher Schwanengesang, dem Empfinden nach fast schon so etwas wie ein Vermächtnis. ~ Jens Szameit (teleschau) aufklappen »
Das letzte Doherty-Stück, das dieses Gefühl auslöste, war die Babyshambles-Ballade "Albion", eine pathetische Utopie, die für "Grace / Wastelands" eine Art Blaupause bildet. Etwa für "A Little Death Around The Eyes", ein Überbleibsel aus Libertines-Tagen, das orchestriert ist wie ein Bond-Song von John Barry. Noch überwältigender ist die Streicherelegie "1939 Returning", in der Doherty von einem deutschen Soldatenschicksal aus dem Zweiten Weltkrieg erzählt. Der schon jung begabte Literat hat hier die Scharfsicht, den Humanismus und die erzählerische Größe Randy Newmans, nicht weniger.
Auch die klimpernde Vaudeville-Nummer "Sweet By And By" ist Newman-Terrain, inhaltlich indes recht offensichtlich ein nostalgischer Gruß an den abtrünnigen Freund Barat: "Was it so long ago, when we first hit the road? / I remember those earliest shows." Doherty hängt dem Ex-Partner emotional immer noch nach, künstlerisch wäre alleine Barat auf das große, komplizierte Kind Doherty angewiesen.
"Grace / Wastelands" ist in jedem Moment anzumerken, wie fieberhaft Doherty auf das Album hingearbeitet hat, dass er jahrelang Songmaterial zurückhielt und dass er hier sein Talent in voller Breite präsentieren will. "Palace Of Bone" ist ein flirrender Blues, "Broken Love Song" eine ergreifende Hymne, "Sheepskin Tearaway" ein zärtlich-martialisches Duett mit Dot Allison, "I Am The Rain" dann doch noch die klassische Libertines- respektive Babyshambles-Nummer. Das Wohlwollen der Kritiker liege ihm dieses Mal sehr am Herzen, ließ Doherty vorab verlauten, und es sollte ihm sicher sein. Wenn sich die Klatschpresse demnächst wieder auf andere Dinge stürzt, ist's somit irgendwo auch egal. Die soll ruhig weiter "Pete" schreiben.