Auch wenn die Bezeichnung "Progressive-Rock" es schon durch ihren Namen impliziert: Das in den 70er-Jahren "fortschrittliche", heute gern belächelte Genre hat nur bedingt etwas mit der klassischen Sex, Drugs & Rock'n'Roll-Attitüde zu tun. So schafften es die Briten von Van der Graaf Generator, zugunsten von Orgel und Saxofon fast vollständig auf E-Gitarren in ihrer Musik zu verzichten. Auch das umfangreiche Solowerk von Bandgründer Peter Hammill zeichnet sich seit jeher durch die Abwesenheit jeglicher Rockismen aus, mit "Thin Air" gelingt dem 60-Jährigen eher eine Art Gesamtkunstwerk. ~ Niels Tenhagen (teleschau) aufklappen »
Neuro-Biologie und Psychologie, Philosophie und Zen-Buddhismus - schon in der Vergangenheit suchte und fand Hammill Inspiration in teilweise schwer verdaulichen und teilweise recht eigenwilligen Themengebieten. Auch auf "Thin Air" lässt er sich - vorsichtig ausgedrückt - eher selten von der leichten Muse küssen. Alle neun Songs thematisieren die vielfältigen Verluste, die im Laufe eines Menschenlebens durchlitten werden können.
Bemerkenswert ist aber vor allem, das Hammill dabei nie in Weinerlich- oder Wehleidigkeit verfällt. Die ausufernden Songs zwischen Prog, Folk und Avantgarde, für die das Multitalent vom Piano, über die Akustikgitarre bis hin zu Soundeffekten alles in Eigenregie einspielte, zeugen eher von einer gewissen britischen Exzentrik bei gleichzeitiger Gelassenheit. Einem Song wie "The Mercy" etwa kann man sogar fast einen gewissen Popappeal nicht absprechen: Hammills Stimme erinnert ein wenig an Bryan Ferry, die leichte künstlerische Affektiertheit an Talking-Heads-Kopf David Byrne. Insgesamt aber wirkt "Thin Air" vor allem als Gesamtkunstwerk. Auf das - wenn überhaupt - nur der Anfang der Genrebezeichnung "Progressive-Rock" zutrifft.