"The Defamation Of Strickland Banks" ist das Soul-Konzeptalbum eines jungen Engländers, das im April 2010 auf Platz eins der britischen Charts schoss. Ben Drew, wie das kreative Einmann-Unternehmen hinter Plan B bürgerlich heißt, sieht aus wie ein wütendes weißes Schmuddelkid, dem ein Musikmanager den Rollenwechsel zur Eleganz im Maßanzug verordnet hat. Und tatsächlich - der Londoner mit dem typisch englischen Kurzhaarschnitt kommt aus schwierigen Verhältnissen. Er geriet mit dem Gesetz in Konflikt, und auf seinem ersten Album "Who Needs Actions When You Got Words" setzte es harte Raps zur Gitarre - Themenschwerpunkte: Drogen, Jugendgewalt und minderjähriger Sex. In seiner halbbiografischen Rolle als Arschloch-Soulsänger Strickland Banks wird der Protagonist nun zu Unrecht eines schweren Verbrechens angeklagt und kommt ins Gefängnis. Rund um die archaische Geschichte um Aufstieg und Fall gibt es Retro-Soul vom Feinsten. ~ Eric Leimann (teleschau) aufklappen »
Irgendwo zwischen Marvin Gaye und Smokey Robinson versüßt das hochheisere Organ von Ben Drew die Songs dieses liebevoll produzierten "verlorenen Klassikers". Das Erstaunliche dabei: Ben Drew, der in Großbritannien auch als aufstrebender Schauspieler gilt, kann nicht nur singen, sondern ist zudem ein ausgezeichneter Songwriter. Bereits der Opener "Love Goes Down" streichelt die Ohren eines jeden Marvin-Gaye-Fans. Ein bisschen von diesem merkwürdigen Hall auf der Stimme, der sich anhört, als würde der Sänger in einer sehr kalten, weitläufigen Welt ein bisschen frieren. Dazu aber diese Wärme in Stimme und Phrasierung, die "What's Going On" zu einer der besten Platten der Popgeschichte machte.
Klar, "The Defamation Of Strickland Banks" ist ein knallhartes Retro-Album und wird deshalb in den Geschichtsbüchern keinen gleichberechtigten Platz neben Marvin finden. Aber Platz eins in England ist für den Anfang ja auch nicht schlecht. Ben Drew dekliniert den Soul: "Writing's On The Wall" zitiert klassische Motown-Stampfer, "Stay Too Long" spielt mit deren überdreht-hysterischer Form, und die Single "She Said" ist längst jener clevere Mitschnipp-Hit, der auch hierzulande für gute Laune im Radiopop-Tagesprogramm sorgt.
Tatsächlich erstaunlich ist das Hit-Potenzial von Drews Arbeit. Das bittersüße "Hard Times", der fiebrige Vortrag "Prayin'" oder auch jener energische Finalsog auf "What You Gonna Do". When Drew am Ende des Albums zum Rap zurückfindet - wie er es an wenigen Stellen zuvor auch schon andeutet - dann ist das eher in die britische Grime-Schule einzusortieren und wird doch von derart pumpenden Soulbläsern und Background-Chören begleitet, dass keinerlei Fremdkörpergefühl aufkommt.
Ben Drew hat die Musik mit seinem Album nicht neu erfunden, aber - wie vielleicht auch Simply Red mit "Picture Book" 1985 - einen ungemein edlen Nachbau eines Soulklassikers geliefert - vor allem in Hits gesprochen.