Es gibt Dinge, die ändern sich nie. Zum Beispiel die Tatsache, dass Primal Scream ständig ihren Stil wechseln. Von Krawallterroristen über Rave zu Rollings-Stones-Epigonen - allles war schon mal da, im Urschrei-Lager. Für ihr neues Album "Beautiful Future" geben Primal Scream nun die Stooges-inspirierte Popband und pilgerten ins Abba-Studio, um die Marimbas von "Money Money Money" und das Piano von "Dancing Queen" erklingen zu lassen. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Aber das ist natürlich nicht die einzige Schrulle, die sich Bobby Gillespie ausgedacht hat: "Wenn man unser neues Album von vorn bis hinten durchhört und alle die verschiedenen Stile, Atmosphären und Instrumentierungen vorbeirauschen lässt, merkt man, das 'Beautiful Future' anders ist als das Album davor, das wiederum anders war als die Alben davor. Es gibt keine Blaupause für einen Primal-Scream-Song. 'Beautiful Future' ist trotz aller Einflüsse auch ein Pop-Album mit klassischem Songwriting."
Fürwahr. So schillert der sarkastische Titelsong im fröhlichen, geradezu enthusiastischen Britpop-Style, nicht ohne im Untergrund die clubbigen Bässe donnern zu lassen, mit denen "Screamadelica" so gerne spielte. "Can't Go Back" geriert sich als rockiger, ekstatischer, Punk-inspirierter Highspeed-Song mit übersteuerten Gesängen und Gitarren, den Paul Epworth produzierte (Bloc Party, The Rakes). Ganz anders zeigt sich das cool-funky produzierte Stück "Uptown" mit dem dumpfen Beat und den Phillystreichern, das an die Dancefloor-Phase von David Bowie erinnert. "Like Jah Wobble playing with Chic", findet Bassmann Mani. Computersounds blubbern auf dem ebenfalls clashy verzerrten "The Glory Of Love", das mit erstaunlicher Melodiösität und friedfertigen Plinkersounds im Hintergrund spielt. Ganz anders dann wieder "Suicide Bomb", ein schwerer Downbeat-Rocker mit viel Hall, "Zombie Man" (bei "Back Off Boogaloo" von Ringo Starr brutal geklaut) mit seinem lustigen, souligen Refrain und dem unwiderstelichen ZZ-Top-Charme, "Beautiful Summer", das mit Wave à la Depeche Mode flirtet oder "I Love To Hurt (You Love To Be Hurt)", das sich als cooler 80er-Elektro mit CSS-Sängerin Lovefoxx und Gitarren entpuppt. Ein Granatensong. Das Fleetwood-Mac-Cover "Over & Over" mit Linda Thomson und Slide-Gitarre ist die süßlichste Primal-Scream-Nummer aller Zeiten, und das Finish, "Necro Hex Blues" donnert glamourös, auf 2000 Phon mit der Gitarre und den Kompositionsideen von Josh Homme ("Queens Of The Stone Age").
Erst einmal den Stirnschweiß abwischen. Was für ein Parforceritt durch die Stile, man fühlt sich regelrecht durchgeschüttelt. Bis auf die Tatsache, dass hier massiv retro Richtung Iggy Pops Stooges gearbeitet wurde, was nicht immer wirklich prickelnd neu ist, darf man das Album getrost als experimentierfreudig trotz seiner Pop-Nähe und als gelungen bezeichnen.