Die Stiefel des "American Soldier" sind nicht frisch poliert. Aber sie gehören auch nicht einem toten Mann. Sie marschieren, tragen das Queensrÿche-Emblem auf dem Absatz. Ein episches Konzeptalbum verspricht der Sticker. Willkommen im Kampfgebiet, das hier ist die Realität. Ist es das nächste Anti-Kriegswerk der Rockmusik? Das an der Mauer der Alltäglichkeit abprallt wie die nächste Schreckensmeldung aus den Nachrichten? Nein. ~ Alexander Diehl (teleschau) aufklappen »
Das hätte nicht dem Standard der Denker entsprochen. Wo immer Queensrÿche sich zu Wort melden, regiert kein Populismus. Keine Schwarz-Weiß-Malerei und keine einseitige Einflussnahme. Die Aussage von Geoff Tate, das Album sei "nicht im Mindesten politisch" ist von einer nicht zu unterschätzenden Wichtigkeit. Selbst Soldatenkind, machte er sich auf den Weg zu Menschen, die bereit waren, ihn mit Gefühlen und Geschichten zu bereichern. Die für Amerika die Flagge getragen hatten, vom Zweiten Weltkrieg bis zum Irak. Es wird davon ausgegangen, dass es immer Kriege geben wird und - entgegen dem bekannten Slogan - immer Menschen, die dorthin gehen. Auf dieser Basis setzt "American Soldier" an. Es ist kein Pro- oder Contra-Schild. Es ist Anregung zur Auseinandersetzung, Anregung zum Nachdenken.
Das Seelenleben steht im Vordergrund. "At 30,000 Ft" steigt mit typischer Queensrÿche-Dramaturgie ins Cockpit eines Bomben werfenden Flugzeugs, "Middle Of Hell" geht direkt ins Kampfgeschehen - mit atmosphärischer Dunstglocke und Saxophon statt Stakkato-Angriffen und Double Bass-Salven. In "Unafraid" brechen die Gitarren ein. Mono plötzlich, die Stimmen der erzählenden Soldaten treten hervor. "American Soldier" experimentiert gerne, vom Heavy Metal ist wenig zu merken. Die Hitdichte eines "Empire" oder die Grandiosität eines "Operation: Mindcrime" wird nicht erreicht. Auch weil die Balladen Befürchtungen bestätigen: Etwas überemotionalisiert werden Kameradenverlust ("If I Were King") und Familientrennung - für "Home Again" holte Geoff Tate seine Tochter Emily ans Mikrofon - vertont.
Dennoch ist "American Soldier" zu empfehlen. Weil gewagt wird, was in der musikalischen Massenproduktion von heute geradezu unverschämt ist: Den Hörer zu fordern. Es ist ein schweres Album geworden. Musikalisch und textlich.