Wenn schon alle jungen Musiker klingen wollen wie die alten, dann könnte man doch mal wieder einen "echten" Alten hören. So oder so ähnlich mögen die Labelmacher von Anti gedacht haben, als sie Ramblin' Jack Elliotts "A Stranger Here" veröffentlichten. Dass dieser 77-jährige Haudegen mit einer brandneuen Studioscheibe herauskommt, ist eine echte Leistung. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Der Folk- und Bluessänger wurde 1931 als Elliott Charles Adnopoz in New York geboren, als Spross einer jüdischen Familie. Sein Vorbild war Woody Guthrie und seine Eltern hatten vermutlich nicht besonders viel Freude, als Elliott sie mit 15 verließ, um sich Rodeoshows anzuschließen. Erst nach seiner Rückkehr lernte er Gitarre, trat später mit Guthrie und Derroll Adams als "Singender Cowboy" auf. Und war schon von jeher der Meinung, dass er irgendwie im falschen Körper inkarniert wurde, zumindest aber mit dem falschen (jüdischen) Namen in der falschen Gegend und fälschte seine Biografie, der er einen Cowboy- und Farmbackground andichtete. Sein Herz schlug für das Landleben, das Einfache, Archaische, für hart arbeitende Männer. Und nach deren Schweiß klang er auch. Nun, mit 77, ging er wieder ins Studio, um - passenderweise - alte Blues-Klassiker aus der Zeit der Großen Depression aufzunehmen.
Mit Produzent Joe Henry (Solomon Burke, Elvis Costello) an den Reglern und Musikern wie Greg Leisz, David Hidalgo (Los Lobos), David Piltch, Keefus Cinancia, Jay Bellerose und Van Dyke Parks zaubert er einen Sound, wie ihn die 30-er nicht schöner hätten hinbekommen könne. Der Mix aus alten, leicht angemufften Sounds und glasklarer Bottleneck-Gitarre, aus Honky-Tonk-Piano, Mundharmonika und Drums liefert ein Zeugnis jener tiefen Verzweiflung und Melancholie, die die Menschen in der damaligen Weltwirtschaftskrise überfallen hatte. "Rising High Water Blues", "Rambler's Blues","Death Don't Have No Mercy" , das ausnahmsweise fröhliche "Richland Woman Blues", das tiefe, bedrückende "Grinnin' In Your Face" oder "Falling Down Blues" atmen eine tiefe Traurigkeit. Aber eben auch die geradezu starrsinnig freiheitsliebende Mentalität dieses verrückten Wanderers zwischen den Kulturen, dieses einzigartigen Zeitzeugen einer großen kulturellen Wandlung, der ganze Heerscharen von Bands bis hin zu den Rolling Stones beeinflusst hat.